Winter – Ski – das Einfache

von 2b am 7. Januar 2007

Plädoyer für das Einfache Nr. 768

Schnee in diesem Winter ist, zumindest in den tieferen Lagen, ja mehr ein Wunsch als ein Vorsatz. Falls Sie aber unverdrossen (allenfalls weitere) Schneesportvergnügungen für diesen Winter planen, gebe ich Ihnen hier einen Merkpunkt, der Sie bei allen dortigen Betätigungen begleiten und inspirieren kann.

Wie ich schon mehrfach ausführte, bin ich nur in wenigen Dingen ein wirklicher Spezialist. Die dem anscheinend widersprechende Tatsache, dass ich mich zu so vielen Themen einigermassen kompetent äussern kann, liegt darin begründet, dass zu den wenigen Dingen, auf die ich wirklich spezialisiert bin, die Fähigkeit gehört, bei Dingen und Phänomen zu erkennen, worum es da eigentlich geht. Man nennt das auch das Wesen der Sache. Und eine der fundamentalen Erkenntnisse in diesem Bereich ist die, dass das Wesentliche stets einfach ist.

Mein Vorgehen dabei ist genauso simpel wie das jeweilige Ergebnis: Ich nehme von einer Sache Witterung auf, lasse etwas Zeit verstreichen, lebe meinen gewöhnlichen Alltag, der mitgeprägt ist von Ruhepausen und ‚mich-treiben-lassen‘. Und irgendwann erschliesst sich das Wesen der Sache. Das kann praktisch im selben Moment sein, nach einigen Minuten oder auch Tage später. Die Klarheit taucht in einem der Momente der Ruhe einfach aus dem Nichts auf. Das prüfe ich zuerst kritisch, lasse dem dann noch etwas Zeit, um sich zu klären. Dann schreibe ich es auf. Überprüfe es dann noch einmal. Oft erweitert sich dabei die erste Einsicht; manchmal wird ein Modell draus.

So einfach ist das.
Wenn ich nun dem geschätzten Skiexperten und nationalen Idol, Bernhard Russi, bei seinen TV-Kommentaren zuhöre, regt sich dieser Impuls für das Einfache deutlich. Immerhin ist ausgerechnet das Ski Fahren eines der wenigen Themen, wo ich auch in der Sache selbst ein bisschen Spezialist bin. Das heisst, ein Thema, mit dem ich mich über eine lange Dauer professionell beschäftigt habe.

Die Aspekte, die sich aus der optischen Ansicht eines Skifahrers oder einer Skifahrerin ergeben, neigen gegen unendlich. Wie wäre das nun, wenn man die meisten der gesichteten Phänomene in einem einzigen Phänomen zusammenfassen könnte? Könnte dann eventuell sowohl die Expertenskifahrerin als auch der Normalskifahrer – und ebenso die NutzerInnen anderer, verwandter Sportgeräte – einen praktischen Nutzen daraus ziehen? Könnte eventuell gerade dadurch der Lerneffekt vergrössert, ja vielleicht vervielfacht werden. Aus dem simplen Grund, weil es einfacher ist, aus einer einfachen Erkenntnis zu lernen und sie in die Praxis umzusetzen, als aus tausend (das ist wörtlich gemeint!) Einzelheiten?

So teile ich an dieser Stelle meine Beobachtung mit, wie ich sie beim Betrachten der besten SkifaherInnen der Welt (es gibt noch ein paar Freerider, die ebenfalls dazu zählen!) mache.

Vorausgesetzt ist bei diesen Topathleten das ziemlich perfekte Beherrschen der Technik. Das heisst, sie sind unter physisch und psychisch optimalen Umständen in der Lage, mit ihrem Gerät praktisch alles zu machen, was man mit diesem Gerät anstellen kann – bezogen auf ihre Spezialdisziplin.

Wir alle, auch ProfisportlerInnen, sind bezüglich unseres Naturells und unserer Physis sehr verschieden voneinander. Auf diese Unterschiede gehe ich ein, wenn ich im Rahmen von 3×3 snow mit dem 3×3 PowerSystem lehre. Stets mit dem Bestreben, aus dem Individuum nicht bloss das Optimum herauszuholen, sondern es über seine angestammten Grenzen hinauszuführen.
Und auch dort geht es selbstredend um die Orientierung am Einfachen, daher leicht Verständlichen und daher selbständig Umsetzbaren.

Um aus dem Auftritt an einem Weltcuprennen das wichtigste Gemeinsame, das die unterschiedlichen Ergebnissen bewirkt, herauszuschälen, können wir für diesmal auf die individuellen Unterschiede verzichten. Immerhin haben es alle unter die Besten der Welt geschafft.
Was dann bleibt, ist Folgendes:

  1. Selbst auf allerhöchsten Niveau geht es um dasselbe, wie beim Anfänger, wie bei der Fortgeschrittenen oder dem Könner.

Das ist gut zu wissen, nicht wahr? Der Graben ist somit mindestens in einem – und erst noch in einem zentralen! – Bereich zugeschüttet. Was uns in der blossen Anschauung gleichsam unendlich weit von diesen AthletInnen entfernt, verbindet uns gleichzeitig wieder mit ihnen: Die Ausübung ihres Berufs; auf der einen Seite mit der fantastischen Performance, anderseits mit den Schwierigkeiten, die ihnen die Anforderungen bereiten.

Die Ansprüche, die ein Rennen stellt, um selektiv zu wirken und eindeutige Gewinner zu ermöglichen, sind nämlich bewusst so gross, dass die ProfiathletInnen an dieselbe Grenze stossen, wie alle andern SkisportlerInnen.

Nur deshalb ist es mE nützlich, dass Experten wie Karin Roten oder Bernhard Russi Dinge sehen, die den weniger ausgebildeten und erfahrenen ZuschauerInnen entgehen würden. Jeder Normalverbraucher kann so mit etwas Übung mitverfolgen, dass da tatsächlich Unterschiede in der Fahrweise die Unterschiede in den schliesslich erzielten Zeiten (zT) ausmachen.

  1. Das von mir angesteuerte Gemeinsame, in der von den Experten geschilderten Vielfalt, zeigt sich in der Antwort auf die Frage: „Wer hat am meisten Mut?“

Schafft es also, trotz der manifesten Angst, KONSEQUENT VORWÄRTS ZU GEHEN, traut sich zu, bereits hart an der Grenze optimal zu beschleunigen und auch die nächste Herausforderung souverän – also ohne Sturz -> Ausscheiden -> Nichtsiegen -> Blamage -> ev Verletzung – zu meistern. Wer bloss Mut hat und, angesichts des sich dann Ereignenden, erschrickt, war tollkühn und verliert die Konsequenz, sobald die Realität ihn überrollt.
Der konsequente Mut muss also vom Abstoss am Start bis zur Durchfahrt durchs Ziel ohne Unterbruch vorhanden sein. Erst dann erfüllt sich die – grundsätzlich bei allen vorausgesetzte – Perfektion vollends.

Das gilt übrigens genauso für den Slalom; da es, wie die obige Aufzählung zeigt, um weitaus mehr, als um Verletzungen geht. Wer einen Lauf wie im Traum absolviert, gewinnt – wie heute das Beispiel von Marc Berthod gezeigt hat. Und tatsächlich hat er zwischendurch erwähnt, es sei ein Lauf wie im Traum gewesen. Gewinnt, oder verliert knapp aufgrund von Nebenfaktoren.

Vergessen Sie also all die tausend Dinge, die die Experten aufzählen – und mit denen leider die meisten Trainer auch arbeiten. Achten Sie lediglich auf die Haltung vorwärts-abwärts (das ist die Summe von vorwärts, wenn es zugleich abwärts geht!). Schulen Sie zum Spass Ihre Wahrnehmung, bis Sie selbst Unterschiede wahrnehmen. Vielleicht eher intuitiv, das ist mindestens so wertvoll. Und das wäre es auch für die Trainer. Sie könnten dann vielmehr damit, statt am falschen Ort mit Technik arbeiten, und entsprechend wesentlich schneller wesentlich mehr positive Entwicklungen verbuchen.
Ich verrate weiter unten, dass sich diese Übung sogar für NichtskifahrerInnen lohnt.

  1. Diese einfache Feststellung gilt genauso, wenn Sie vom Sessel hüpfen und auf die Piste rausfahren. Vergessen Sie mal Ihre Technik!

Sie können das was Sie können! Das steht Ihnen grundsätzlich immer zur Verfügung.
Falls Sie eine Piste auswählen, die Ihrem Können entspricht (analog zur Herausforderung beim Rennlauf), wird über die folgende Performance vor allem entscheiden, inwiefern Sie in der Verfassung sind, konsequent vorwärts zu gehen.
Klar, Sie fahren ja ohnehin vorwärts. Mit ‚Gehen‘ spreche ich Ihre innere Haltung, Ihren Mut an, an Ihre Grenze zu gehen und dort souverän zu agieren.

  1. Achten Sie für eine Weile vor allem auf Ihr Vorwärts-abwärts-Gehen, auf die Momente des Zurücknehmens, des Zögerns, der Verkrampfung, des Atemanhaltens, des Schlechtfahrens – und wieder auf die Momente, wenn es Ihnen gelingt zu lösen.

Sie werden zB entdecken, dass Sie Ihre Grenzen bloss regelmässig meiden (es ‚gemütlich nehmen‘), weil Sie Angst haben. Vergessen Sie all die andern so vernünftig klingenden Gründe: Sie sind in Wahrheit unvernünftig!
Und wenn Sie müde oder betrunken oder beides sind: Fahren Sie mit dem Sessel zu Tal – und von mir aus dort zur nächsten Tankstelle, falls Sie das erfüllt.

  1. Sie fahren nämlich nur deshalb Ski, weil Sie das an Ihre Grenzen bringt. SIE FAHREN NUR DESHALB SKI, WEIL SIE DAS AN IHRE GRENZEN BRINGT – DIE SIE DANN ERFOLGREICH ÜBERSTEIGEN KÖNNEN. Das bedeutet dann: LUST.

Oder, was glauben Sie, weshalb sonst Sie sich einst aufmachten, das für uns Menschen völlig widernatürliche, folglich gefährliche Gleiten anzueignen? Natürlich, weil Sie Ihre Grenzen erweitern wollten!

Werden Sie sich dessen bewusst und Sie werden Ski fahren auf andere Weise betrachten – und nutzen! Und Sie werden sich selbst anders bewerten! Als jemand nämlich, der bzw die jemand ist, der bzw die die eigenen Grenzen erweitern möchte. Ha!

  1. Ski fahren ist mehr, …

behaupte ich ohne jegliche esoterischen Ambitionen.
Achten Sie nach Ihrem TV-Studium oder nach Ihrem nächsten Skitag – oder einfach Morgen: auf Ihr Vorwärts-gehen auf der Strasse; auf Ihr in der Haltung Zurücklehnen; auf Ihr Zögern, Ihr Zurückweichen, Ihre Umwege.

Und tun Sie das auch im übertragenen Sinn mit Ihren übrigen Tätigkeiten; ja, mit Ihrer Lebenshaltung allgemein.
Ich garantiere Ihnen, Sie werden jede Menge lernen. Jede Menge! Jede Menge Nützliches für Ihr Leben!

Ski fahren macht es einfach, diese Dinge zu entdecken. Ski fahren initiiert solche Lernerfahrungen in einem angenehmen, lustbetonten Kontext (falls es Ihnen keinen Spass macht, hören Sie ums Himmels willen auf! Oder besuchen sie einen Kurs bei 3×3 snow; die Chance beträgt 90%, dass es Ihnen danach Spass macht).

So viel zum Ski fahren. So viel zum Winter, der sich immer noch bedeckt hält. So viel, um Sie trotzdem anzuwärmen. Um sich gleich danach nach frischer, trockener Kälte und herrlichem Schnee zu sehnen

8 Kommentare »

  1. WOWWWWWW!

    Michael am 8. Januar 2007 um 17:00 Uhr

  2. Wenn Sie zu fast beliebigen Themen Wesentliches beitragen können, gehört doch sicher Sex auch dazu. wie ich feststellte, haben Sie sich ja schon mehrmals dazu geäussert.

    Was halten Sie also von Voyeuren?

    Arnim am 8. Januar 2007 um 22:02 Uhr

  3. du liebes bisschen! soll ich nun auch noch den sexonkel spielen?
    aber sie haben recht: ich äussere mich tatsächlich gern zu diesem tabuthema nr 1 (nach wie vor – trotz allen anderslautenden unkenrufen!). gelegentlich werde ich hier eine eigene kategorie ’sex‘ eröffnen, als kleines kompendium ’sex gegen den strich‘.

    zu ihrer frage:

    Voyeure sind menschen, die gerne nackte menschen anschauen.

    tun wir das nicht alle? die einen etwas zwanghafter, die andern etwas versteckter?

    2BD am 8. Januar 2007 um 22:09 Uhr

  4. Ok, ins Schwarze getroffen.
    und weiter?

    arnim am 8. Januar 2007 um 22:13 Uhr

  5. die aufgeregten beäugten beweisen, dass etwas in ihrem verhältnis zur eigenen nacktheit nicht stimmt.
    sie fühlen sich unwert – und dabei ertappt.
    logo, nicht?

    2BD am 8. Januar 2007 um 22:16 Uhr

  6. Bereits etwas schwerer zu verdauen.
    ich bin kürzlich einem Voyeur begegnet – offensichtlich einem Homophilen.

    Nach Ihnen ist da gar kein Problem, richtig?

    Arnim am 8. Januar 2007 um 22:20 Uhr

  7. ich mag diese mischung: blog und chat…

    richtig!
    das problem entsteht erst mit dem kontext.
    und der hat weder mit nacktheit, noch mit ‚privatsphäre‘ (ein wort, das prächtig die eigene entwertung kaschiert), noch mit sex an sich zu tun!
    der kontext bei der sexualität ist: umfassende, bis in die eingeweide dringende, jahrhundertealte entwertung der sexualität.
    für weitere informationen dazu verweise ich sie auf einen früher erschienen artikel. oder auch.
    gute nacht.

    2BD am 8. Januar 2007 um 22:24 Uhr

  8. herzlichen Dank

    Arnim am 8. Januar 2007 um 22:36 Uhr

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