Alles unter einen Hut

von 2b am 15. Dezember 2005

«Ich krieg“s einfach nicht unter einen Hut» ist seit eh und je eine berechtigte Klage über das Bemühen, alle drei Disziplinen des Lebens gleichberechtigt und erfolgreich zu meistern. Alle drei Disziplinen meistern hiesse: Sorgfältig für das umfassende persönliche Wohl zu sorgen. Beziehungen so zu pflegen, dass sie Wärme, Wohlwollen und Unterstützung bedeuten. Und die individuellen Lebensaufgaben so zu lösen, dass sie ein wertvoller Beitrag – und schiene er noch so klein – zum Wohlergehen der Allgemeinheit sind. Wie früher schon erwähnt, nenne ich die drei Disziplinen ICH-Projekt, WIR-Projekt und IHR-Projekt.
Wenn ich nun genau hinschaue, stelle ich fest: Mit dem Anspruch, alle drei Disziplinen des Lebens unter einen Hut zu bringen, befassen sich vor allem erfolgreiche Menschen. Leider jedoch meist, indem sie einen negativen Befund feststellen und schliesslich vor dem Anspruch kapitulieren. Wenig erfolgreiche sowie erfolglose Menschen setzen sich in der Regel kaum mit der Vorstellung auseinander, in ihrem Leben alles unter einen Hut bringen zu können. Etwas kühn formuliert lassen sie sich vielleicht stattdessen ganz gern in einer, in zwei oder gar in allen drei Disziplinen unter die Schultern greifen. Aber mit Krücken geht es sich nun mal beschwerlich. Sich aufzumachen und alles zu unternehmen, um ihr Leben selbst und ganz zu meistern, das trauen diese Menschen sich meist gar nicht zu.
Die entschiedene Bereitschaft, tüchtig und erfolgreich zu sein, verdient Achtung. Wenn diese Menschen nun noch wüssten, dass der hohe Preis, den sie bezahlen, indem sie alles auf eine Karte setzen: eben auf eine Disziplin (früher konnte das noch jede sein, heute fast ausschliesslich das IHR-Projekt Beruf), gar nicht gefordert wird, was wäre dann? Aber sie wissen das natürlich nicht. Sie haben es bereits aufgegeben. Sie haben sich damit abgefunden, dass ‚das Leben den vollen und ausschliesslichen Einsatz für nur eine Diszplin nun mal fordert, wenn man erfolgreich sein will“ und geben die andern beiden Bereiche mehr oder weniger Preis. Und vielleicht ist meine Behauptung ja auch mehr Wunschphantasie denn reale Möglichkeit. Das muss schliesslich jeder selbst herausfinden. Jedenfalls machen es die grundsätzlichen Ambitionen dieser Menschen zur Herausforderung, sie über mögliche Chancen zu informieren. Es scheint fast wie die Quadratur des Kreises, das zu schaffen. Und gerade diese Herausforderung liebe ich.
Es scheint also leichter und erfolgversprechender, bereits erfolgreiche, tüchtige Menschen zu ermutigen, ihren Erfolgsdrang auszuweiten und sich „alles unter einem Hut“ zuzutrauen.
Und was ist mit den anderen? Ich weiss es nicht mehr. Ich gestehe, nach all den Jahren widersteht etwas in mir der Vorstellung, in jene dunklen Gewässer, die durchaus manchmal trübe sind, zu tauchen und auf eisernen Widerstand zu treffen, wenn es darum geht, sich selbst aufzurichten, das Werkzeug in die Hand zu nehmen und die trüben Gewässer der Mutlosigkeit zu verlassen. Natürlich können wir genau dieses Verhalten thematisieren. Aber führt das nicht bloss ins nächste Bemühen – der begleitenden Person, wohlgemerkt? Ich meine, es braucht bei den Menschen, die dort herumschwimmen – mehr unter als über der Oberfläche –, eine Art Aufschrei. Eine ursprüngliche Kraft, die sich in ihnen aufbäumt. Damit sie auftauchen, es ans Ufer schaffen und wir uns schliesslich treffen können. Das wäre ein Anfang. Ich kann diesen Menschen nur den (möglichst harmlosen) Anlass wünschen, der in ihnen diese Eruption der Selbstbehauptung freisetzt.

1 Kommentar »

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    Ajdru am 16. April 2006 um 0:23 Uhr

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