Oh, China

von 2b am 14. Februar 2010

Wie wärs denn mal mit diesen Gedanken zu China?

Alle sind sich mittlerweile einig über den Aufstieg Chinas zur vorherrschenden Weltmacht. Die einen Experten sagen zwar: „Ach, soweit ist China noch nicht.“ Während andere Experten sagen: „Es ist schon längst soweit, wir wollen es nur nicht wahrhaben.“

Was will ich anderes, als ihnen Recht geben? Heute diesem, Morgen jenem.
Nur quetschen sich da ungerufen ein paar andersartige Gedanken dazwischen:

  • China wird geführt von einem autokratischen, superreaktionären Regime. Auf die lächerliche marxistische Parteiideologie fällt ja nun keiner mehr rein.
  • Es ist ein Regime von ängstlichen Hosenscheissern. Ich kenne keinen von ihnen persönlich. Doch trifft diese Diagnose bezüglich dieser peinlichst (in den Hosen) verborgenen Eigenschaft all solcher Herren im Blindflug ins Schwarze. Da muss man nicht lange studieren für. Sollten da und dort Zweifel aufkommen, kann ich ja immer noch rufen: „Schaut sie an!“

Okay, das wussten bereits einige. Nichts Neues vor dem Mond.
Also zu meiner Prognose:

Das wird nicht ewig so weitergehen. China hat ja soviel Fahrt aufgenommen, vor allem aufgrund seines Riesenreiches mit schier unendlichen menschlichen Ressourcen – die man heute beliebig ausbeuten und morgen ins Spielparadies des blinden, gefrässigen Konsums führen kann.
Doch genau das ist weder zuverlässig, noch wahrscheinlich.

  1. Die billige Produktion wird sich ändern.
  2. Der riesige Binnenmarkt wird sich ändern.

Nichts von dem morgen; aber übermorgen!

Nein, es wird keine Revolution geben – Gott und Marx behüte, in corpore!
Nur bringt die wirtschaftliche Entwicklung in chinesisch bewährter Kopie unseres westlichen, heissgeliebten Schemas unvermeidbar den damit untrennbar verbundenen Liberalismus mit sich. Auch ChinesInnen – selbst ChinesInnen! – können gar nicht anders, als mit wachsendem Wohlstand und Konsum und Internet und und und … auch die dazu passenden Ideologien und Ansprüche zu entwickeln. Sie werden aufhören, billig zu sein!

Ach, bis dann ist längst der Binnenmarkt so entwickelt, dass es gleich mit dem Reichtum weitergeht!?
Ich zweifle. Da ist nämlich noch ein anderes, das die Liberalisierung durch den Markt schleichend mit sich bringt.

China wird aufhören, ein Riesenreich zu sein.

Die Kraft dieser vollkommen lebensinkompetenten Clique, die dieses Reich mit ihrem menschenverachtenden Gebahren zusammenhält, wird aufhören Riesenmacht zu sein. Und das aufgrund genau derselben Dynamik, welcher die hässliche Clique der Sowjetunion unterworfen wurde. Keine liberalisierten Massen werden sich – nachdem sie zu Beginn vielleicht mehrheitlich unterwürfige Profiteure waren – auf Dauer von einer hilflosen Machtclique gängeln lassen. Das aber ist die Voraussetzung, um in China-Manier die Vorherrschaft auf dem Globus zu erlangen.

Die Tibeter, Uiguren, Mongolen und wie sie alle heissen, sind bis jetzt nur Splitter im durch Dauerpanik übersäuerten, daher überempfindlichen Fleisch der Machthaber. Doch da sind eine Unmenge Völker.
Und bald schon etwas ganz anderes: Eine Unmenge Einzelwesen – urbane Hedonisten –, die sich  keinesfalls als volkszugehörig, sondern als globale Konsumentinnenen verstehen.
Ich prognostiziere sogar, dass diese Entwicklung in China viel schneller vor sich gehen wird, als im alten Europa, wo sich die Menschen ganz langsam an die Pandemie des grenzenlosen Konsums gewöhnt haben. Einmal davon erfasst wird es in China kein Halten geben.

Natürlich werden wir lange nichts davon bemerken, weil China lange das Gesicht des gnadenlos kontrollierten und irgendwie anonymen Landes bewahrt. Das ist ja das Wichtigste, was Machthaber dieses Schlages im Sinn haben: das Gesicht wahren! Weil dahinter nur Abgründe stecken.
Doch in den Adern zahlreicher Menschen dort gährt das Blut. Die ChineseInnen werden sich zuerst innerlich – was zweifellos in den urbanen Schichten bereits fortgeschritten ist – und dann auch äusserlich lösen von allem, was sie mit Macht und Gewalt zusammenhalten will. Nicht, dass diese Entwicklung bloss positiv zu bewerten ist – es sei von einem Hiesigen geklagt. Doch, wenn schon keine echte Entwicklung, so ist es doch ein Fortschritt. Und das ist, angesichts der heutigen Verhältnisse in China, nicht zu verachten.

China wird … nein, nicht zerfallen: China wird sich auflösen. Schleichend, ganz allmählich. Zuerst der innere Zusammenhalt, dann der äussere. Es wird kleinere, eher funktionale Zentren geben. Schon bestehend aus ChinesInnen, aber aus solchen, die sich nicht einem einzigen, gemeinsamen Ziel – oder Wahn! – unterordnen. Das wird sich vermutlich eine Weile negativ auf die wirtschaftliche Dynamik auswirken. Russland hat bis heute keine neue Fahrt aufgenommen, die diesen Namen verdient. Doch mit der Zeit wird sich alles angleichen. Und die ChinesInnen schätze ich als wesentlich fleissiger, geschäftstüchtiger und daher schneller als die RussInnen ein – weeesentlich!

Und das ist das Szenario der Zukunft:

Es wird in der menschlichen Gattung zumindest in vorstellbarer Zukunft keine neue Vorherrschaft auf Dauer mehr geben.

Das klassische Kulturschema hat ausgedient. Keine Kultur muss mehr in alter Manier den Schwanz einziehen. Ist das nicht eine gute Nachricht? Vor allem für uns altgediente EuropäerInnen. Und noch mehr für die AmerikanerInnen, die ihren Ast schon bald durchgesägt haben. Selbst sie werden weich fallen – relativ weich.

Die Menschheit wird zu einer zwar äusserst heterogenen, jedoch im grenzenlosen Konsum, dem allumfassenden Stress, der totalen Vereinzelung und der Beschränkung auf oberflächliche Reize vereinten Masse zusammenwachsen.

Na, das wird doch mal eine neue Ära der Menschheit. Nicht unbedingt eine bessere, aber eine andere.
Doch wird das wie üblich eine ganze Weile noch auf Kosten irgendwelcher anderen Wesen geschehen: Menschen – vor allem! –, Tiere, Pflanzen. Aber, so ist das halt. Der Kapitalismus, der nun alles beherrscht, hat ja nie das Glück versprochen – nur Gewinn. Glück ist eine leere Floskel von Politikern und religiösen Fantasten, die samt und sonders nichts davon verstehen (sonst würden sie es nicht bloss den andern versprechen, damit die zahlen – womit wir wieder beim Kapitalismus wären). Glück realer Art fordert nämlich Schweiss der ganz anderen Sorte. Weder beten, noch arbeiten – weder ora, noch labora – bringen es.

Aber was solls. Genug gequatscht. Wir wollen ja nicht alles auf einmal wollen.
Tschüss.

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