Frieden dank Friedensgericht? Ein offener Brief

von 2b am 13. August 2009

Geschätzte Frau P.

Dies ist ein persönlicher Brief, er bezieht sich nicht auf die Streitsache selbst.

Vorweg: Sie sind eine sympathische und liebenswerte Frau.
Aber: Was war das gestern? Zuerst erscheint der Kontrahent mir nichts dir nichts zu spät, dann beginnt die Verhandlung mit 35 Minuten Verspätung. Wer pünktlich ist wie ich, macht sich bereits zum Idioten. Soweit zur Ordnung.

Und dann waren wir nach dem Termin genau am selben Ort wie vorher. Wozu also ist das Friedensgericht da? Wozu sind Sie da? Wenn Sie nicht einmal den Anschein einer Verhandlungsaufforderung erwecken. Vorschläge haben Sie, wenn überhaupt, dann von mir erwartet. Sie machten auch nicht die leisesten Anstalten, den Beklagten herauszufordern. Beispiel? Jeder gebildete Mensch (bei Sinnen s.u.) weiss, dass man auf keinen Fall mit Vorwegnahmen argumentieren darf. Sie haben den Beklagten nicht bloss darin unterstützt, auf die Haftpflichtversicherung – und damit auf eine gute, einfache Lösung – zu verzichten (ich wäre bereit gewesen, einen Teil des Selbstbehalts zu übernehmen), nein, Sie selbst haben die Initiative ergriffen und versucht, alle zu überzeugen, dass das eh nicht klappen würde, statt einfach zu sagen: «Machen Sie es!» Der Beklagte brauchte Ihnen nur noch Recht zu geben und schon war er aus der Pflicht – und die Lösung vom Tisch.

Als Psychologe mit 35 jähriger Berufserfahrung ist es für mich natürlich ein Leichtes festzustellen, dass Menschen wie Sie sich vor der Kälte und der latenten Gewaltbereitschaft solcher Männer fürchten und sich daher unbewusst mit ihnen verbünden, sie zumindest schonen. Die Friedfertigen gelangen damit automatisch in den Nachteil und werden plötzlich selbst als Aggressor dargestellt. Das geht doch nicht! Als Friedensrichterin darf ich erwarten, dass Sie sich dessen bewusst sind und das bearbeiten, bis Sie darüber stehen – oder dann das Amt abgeben. Haben Sie denn keinen Coach? Wer es jedem Recht machen will, behandelt automatisch die Aggressoren bevorzugt und wird so letztlich keinem gerecht. Als Fachmann bin ich einigermassen schockiert – sympathisch hin oder her.
Zum Schluss genügte ein knappes Nein seinerseits und schon sprangen Sie zum Computer, um die Weisung zu schreiben; dabei wirkten Sie sichtlich erleichtert. Vielleicht wollten Sie ja auch bloss die Zeit einholen …

Frau Pflüger, die Chance ist vertan; Sie wissen besser als ich, dass es absolut lächerlich ist, den unangemessenen Aufwand zu betreiben und weiterzuziehen (ich heisse ja nicht Koolhaas). Sie haben gestern versagt; und das begann schon mit der Verspätung (siehe PS). Dazu erschienen Sie sichtlich erschöpft. Mein Fehler war es, überhaupt Hand zu bieten, diese Farce – ich kann es nicht anders nennen! – doch noch abzuhalten.
Ich hatte in den etlichen Jahrzehnten eine Reihe ganz redlicher Klienten, die nach Verhandlungen sagten: «Wenn das Recht sein soll, dann hole ich mir mein Recht auf Umwegen selber.» Was soll ich diesen in Zukunft nach Erfahrungen wie der gestrigen sagen? Vielleicht, statt sie zu ermahnen und zu besänftigen, besser: «Tue, was du tun musst, solange du niemandem persönlich schadest.» Auch wenn es nicht Ihre Aufgabe ist, Recht zu sprechen, so ist es eben doch ein Gericht. So provoziert das «Recht» nicht selten direkt das Unrecht.

Mit trotz allem hochachtungsvollen Grüssen
Bernhard Brändli-Dietwyler

PS: Wenn man keine Pausen macht, verliert man sich unausweichlich. Ob man dann noch richtig handelt, ist absolut reiner Zufall. Das fing gestern damit an, dass Sie gänzlich unvorbereitet waren (unverzeilich), Ihr Aktenblatt verlegten und dann noch meinen Namen vergassen (peinlich und ein deutliches Zeichen – jenen des Kontrahenten haben Sie nämlich vorsorglich behalten). Vielleicht lesen Sie mein letztes Buch «Ruhe!Punkt.». Wenn Sie es direkt auf meiner Website bestellen, signiere ich es Ihnen sogar – mit freundlichen Worten.

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