Emotionen an der Abdankung von Michael Jackson

von 2b am 11. Juli 2009

Seit 35 Jahren sind Emotionen mein tägliches Brot. Ich muss unterscheiden zwischen echten und unechten Emotionen. Denn unechte Emotionen lassen den inneren Wachstumsprozess nicht bloss zur Farce verkommen, sie schaden ihm zusätzlich. Doch, obwohl bei mir strenge Regeln herrschen und mein scharfer Blick unablässig wacht, werden mir zu 70 Prozent Pseudoemotionen aufgetischt. Man glaubt es kaum! Man stelle sich vor, wie das in der üblichen Realität aussieht.

Zum Beispiel an dieser monströsen Abdankungsfeier für Michael Jackson. Meine Frau hat mich gebeten, mitzuschauen, denn immerhin hatten unsere Söhne zu Recht moniert, durch mein Desinteresse an Jacksons Musik, erkenne ich auch dessen Können nicht. Tatsächlich muss ich bekennen, dass ich stets die Person mit ihrer Kunst identifizierte, womit ich Letzterer nicht gerecht werde. Ich gestehe gar, dass ich generell etwas zu diesem Verhalten neige, auch bezüglich PolitikerInnen und anderer öffentlicher Personen. Aber ich habe mich in letzter Zeit gebessert; ich begegne den Leuten mit mehr Gleichmut.

Also, nun weiss ichs auch selber: Michael Jackson war ein Genie. Besonders an ihm ist: Er ist Zeit seines Lebens ein Kinderstar geblieben. Er hat alles – wirklich alles! – unternommen, das zu bleiben; bis an sein (wahrhaft bitteres) Ende. Etwas überrascht bin ich, dass ich das bis anhin so noch nirgends gelesen habe. Aber das liegt wohl an meinem bereits erwähnten Desinteresse – auch an Artikeln über ihn.

Zurück zum Tod. Und zu dessen Inszenierung. Natürlich habe ich – wenn schon, denn schon! – auch die Medienbericherstattung in diesem Zusammenhang etwas verfolgt. Wie oft ich dabei das Wort «ergreifend» gehört und gelesen habe, klärt mich darüber auf, wie erschreckend gering die Kompetenz zahlreicher Journalisten bezüglich Emotionen ist (emotionale Kompetenz). Das heisst leider auch, wie leicht man diese Leute täuschen kann.

Da Emotionen ganz offensichtlich das Hauptthema bei der Abdankungsshow waren, kamen bei mir zu den bereits tausenden geleisteten Stunden in meiner Praxis und in der «Lebensschule 2» nochmals zwei dazu, an denen ich mit beiläufig prüfendem Blick das muntere Geschehen auf der Bühne verfolgte.

Das Ergebnis, ohne Umschweife: Da war keine einzige echte Emotion sicht- oder spürbar.
Brook Shields
kam dem noch am nächsten; doch, vergessen wir nicht: SchauspielerInnen müssen das können. Emotionen gekonnt zu spielen gehört genauso zu deren täglich Brot, wie es das meine ist, echte Emotionen herauszufiltern. Kurz: Das war eine reine Farce. Ausdrücklich inklusive Jackos «Tochter» (wers glaubt …!? ein Kinderstar und Kinder zeugen …?!). Ihr – von ihren Tanten fast sicher eingebläuter – Text, noch schnell das Haar geglättet, das Kleid zurecht gerückt, das gequälte, pseudoemotionale «I love you so much, Daddy». Das war eben noch nicht professionell, wie die andern Liebesbezeugungen der arrivierten Showstars (inklusive Prediger), und wirkte daher nicht bloss lächerlich, sondern dazu auch noch grotesk … Entschuldigung: ergreifend.

Wahre Emotionen waren sicher vorhanden – immer wieder muteten mich Hass, erbarmungslose Konkurrenz, Neid an, jedoch, zugegeben: gut verkulissiert. Wo Geschäft, Show, Geld einfach alles dominieren – eben auch Begräbnisse bloss der Äufnung des Erbes zu dienen haben -, haben echte Emotionen in der Öffentlichkeit keinen Platz. Das sollten wir respektieren. Jedoch, handkerum, als kluge Erwachsene dann auch nicht prompt darauf hereinfallen (noch immer frage ich mich, was denn der kurze Einblender von Chris Von Rohr, mit dem Kopfschal, der die Augen wischt, genau für eine Emotion darstellen sollte. Trauer um Jacko? Ohalätz! Immerhin erkenne ich endlich die Multifunktionalität dieses mir bis anhin eher lebensfremd erscheinenden von-Rohrschen Accessoires (Stichwort «ewiger Jugendstar»)).

Eine korrekte Einschätzung der – vorzugsweise religiös verbrämten – «Trauerausbrüche», zu denen vornehmlich schwarze Brüder und Schwestern fähig sind, erforderte etwas mehr Platz, als einem einfachen Blogartikel angemessen ist.

Zum Schluss noch ein Tipp zur Qualifizierung von Emotionen im Alltag.
Wenn Menschen beim Ausbruch von Tränen den Kopf neigen, ev gar in den Händen vergraben oder sich abwenden (da hat Brook Shields einen eleganten Job gemacht – chapeau!), so kann das zweierlei bedeuten:

  1. Die betreffende Person schämt sich ihrer Emotion.
  2. Die betreffende Person spielt die Emotion und möchte verbergen, dass da bei all dem Jammern gar keine Tränen fliessen (selbst mit Tränen erkennt man, dass sie herausgepresst werden).
  3. Als zusätzliche Variante von 2. gilt: Die betreffende Person spielt die Emotion und möchte mit deren Hilfe einen Gewinn aushandeln (Stichwort «Manipulation»).

Bedenken wir, dass echte Scham in den letzten Jahrzehnten dramatisch abgenommen hat – ob das Verlust oder Gewinn bedeutet, sei mal dahingestellt -, so können wir getrost davon ausgehen, dass dieses Gebahren hier und heute in den allermeisten Fällen (rund 90%) bedeutet: Da spielt gerade jemand eine Emotion.
Für die Beteiligten gilt dann: Ganz locker bleiben, sich nicht hineinziehen lassen; wenn möglich liebevoll und verständig lächeln. Auch «Jöö!» wirkt total befreiend, wenn man nicht gerade Ursache der «Tränen» und somit Ziel einer möglichen Manipulation ist.

Fassen wir die Abdankungsfeier von Michael Jackson zusammen, so können wir sagen, dass da nur eines abgedankt hat: Wahre Gefühle!
So können wir, nach einer weiteren eindrücklichen Demonstration von «That’s America», getrost zur Tagesordnung übergehen.

2 Kommentare »

  1. Diese Differenzierungen dienen mir, Bernhard. – Ich hatte bei der ganzen Jackson Geschichte ein ähnliches Gefühl- Show und m.E. Gefühlskälte.

    Die wenigen Male in denen ich Barack Obama sprechen hörte und sah,
    empfand ich echte Gefühle von seiner Seite. Wie siehst du das ?
    Auch Amerika…..

    Gruss Ursula Kern

    Kern Ursula am 20. Juli 2009 um 17:00 Uhr

  2. Diese Differenzierungen dienen mir, Bernhard. – Ich hatte bei der ganzen Jackson Geschichte ein ähnliches Gefühl- Show und m.E. Gefühlskälte.

    Die wenigen Male in denen ich Barack Obama sprechen hörte und sah,
    empfand ich echte Gefühle von seiner Seite. Wie siehst du das ?
    Auch Amerika…..

    Gruss Ursula Kern

    Kern Ursula am 20. Juli 2009 um 17:00 Uhr

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