Spritzensport bis Libanon…

von 2b am 2. September 2008

Uff!
Vor exakt zwei Jahren geschrieben und erst so richtig brandaktuell (danke der Blog-Empfehlung, die mich auf meinen eigenen Beitrag hinwies!).

Als nochmals auf die Bahn, gedopt hin oder her …

Von Spritzensport (TA 29.7.06) bis Libanon…

Meinem Kommentar zum Doping im Spitzensport vom 30. Juni habe ich wenig hinzuzufügen.
Ausser vielleicht, dass es zusätzlich pikant ist, welche Sportler bzw Sportarten, die in der ersten Enthüllungsphase als Kunden von Dealer Fuentes erwähnt wurden (unter anderen der Tennisstar Nadal), (vorerst?) wieder ins anonyme Glied zurücktreten durften.
Will sich die Presse scheibchenweise weiden? Das würde Sinn machen. Oder wurde für einige noch Schonung verordnet?
Wir werden sehen.

Ich wurde gefragt, was denn meine Meinung dazu sei.
Falls die Frager hören wollen, ob ich die Freigabe von Doping befürworte oder den dopingfreien Sport fordere, vielleicht gar die hehren Sportideale Pierre de Coubertins verfechte, dann muss ich sagen: Ich habe dazu keine Meinung.

Spitzensport und Doping sind für mich logische und obligatorische Teile eines Spiels. Jeder Part hat seine ihm zugewiesene Rolle und muss diese spielen. Und zwar so spielen, dass ein labiles Gleichgewicht erhalten bleibt. Es muss labil sein, damit Unerwartetes rasch dramatische Züge annimmt und so die Spannung erhalten bleibt. Das Spiel – zB die Auseinandersetzung zwischen Dopinggebrauch und Dopingbekämpfung – braucht keine ‚Lösung‘. Auch wenn die einzelnen Rollen eine solche mit grossem Aufwand anstreben. Indem andere Parts eine andere ‚Lösung‘ mit ebenso grossem Aufwand anstreben, entsteht das labile Gleichgewicht; das heisst, das Spiel geht weiter. Und genau das ist der Sinn des Ganzen. Nicht ’sauberer Sport‘ oder ‚Fairness‘ oder ‚maximale Leistung‘ oder ‚der Sieg‘. Das sind bloss Spannungsfelder.

Es ist dasselbe wie das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Verbrechern; oder wie links und rechts; oder wie Krieg und Frieden. Auch dort geht es nicht um eine Lösung, wie ‚ein Staat ohne Verbrechen‘; bzw ‚die richtige Politik‘; bzw ‚totale Macht des Siegers‘ oder ‚überall Frieden‘.
So hart das gerade im Angesicht des schrecklichen Krieges im Libanon klingt: Der innere Sinn auch jenes – im Unterschied zum Sport tragischen – Spiels ist, dass es stattfindet. Wäre wirklich eine Lösung gefragt: Sie wäre leicht zu finden und sie wäre rasch gefunden. Die Dynamiken dieser Vorgänge sind bekannt und ebenso, wie sie zu handhaben sind. Ich habe mich unter dem Eindruck des 9-11 soweit vorgewagt, die mögliche Lösung zu beschreiben – unter dem Motto ‚Die Geschichte des Lebens beweist, dass es aus der Zerstörung verschiedene Auswege gibt, aber nur einen der weiter führt: Wir müssen sie als Chance nutzen.‘ Das war zu nichts nütze. Selbst im nahen Bekanntenkreis überwog die vehemente Forderung nach Fortsetzung des Spiels deutlich. Auch ich hatte natürlich meine Rachegefühle. Doch die reichen bei mir, wenn ich nicht Selbstbetroffener bin, glücklicherweise nicht weit; keinesfalls in mein Denken, geschweige denn in mein Handeln hinein.

In solchen Spielen als Aussenstehender zur ‚richtigen‘ Lösung‘ beitragen zu wollen, provoziert zielgenau den Sisyphoseffekt. Die Mitspieler, die Profiteure, ebenso wie die Zuschauer werden sich nämlich stets gegen ein absehbares Ende des Spiels zu wehren wissen. Und sie haben Recht. Würden wir die entsprechenden Spiele nicht wollen, würden sie gar nicht stattfinden bzw hätten ein kurzes Leben.
Nun können Sie sich natürlich noch zu ‚die andern‘ retten. Aber ich glaube, da würden Sie versuchen, sich selbst zu belügen.

Also bleibt mir als gute Rolle jene des Zuschauers, der Anteil nimmt, aber nicht eingreift; und in meinem Fall es sich sogar erlaubt in der Regel darauf zu verzichten, Partei zu ergreifen (Bestätigung wie Ausnahmen finden Sie in meiner Fussball WM-Kolumne). Das heisst, so viel Distanz zu wahren, dass er immer wieder Mal die Gelegenheit hat zu verstehen, was da im Ganzen eigentlich abgeht. Das ist dann wie ein zweiter Film. Oder, um im Bild zu bleiben: Das Spiel, das alle sehen, wird dann deutlich als blosses Spiel im Spiel.

3 Kommentare »

  1. Von allem etwas.
    Soll ich nun sagen, es ist ein Sammelsurium oder ein gutschweizerisches Chrüsimüsi?

    Dr. Peter Raschle am 3. August 2006 um 11:49 Uhr

  2. das ist gut. das ist sehr gut. sie haben ziemlich viel von meinen sachen gelesen, um schliesslich zu diesem eindruck zu kommen, nicht wahr?
    ich ermutige sie: lesen sie weiter. nehmen sie die einzelnen texte wie puzzleteile. die einen gefallen ihnen weniger, die andern mehr.
    und irgendwann wird ihnen aufgehen, dass allen aussagen ein gemeinsamer kontext zugrunde liegt. einer übrigens, den ich selber nur ahnungsweise kenne (im wechsel mit gelegentlicher, aber kurzer klarsicht). dann beginnt etwas neues: aus den vielen wissenspartikeln wird allmählich verstehen. und zwischen uns kann ein dialog entstehen, der beide befruchtet.

    ich wünsche ihnen, dass sie solange durchhalten, bis das gelingt. es lohnt sich. das kann ich ehrlichen gewissens garantieren.

    2BD am 4. August 2006 um 12:25 Uhr

  3. So kann man das natürlich auch sehen. Ich hatte allerdings bislang den Eindruck, dass ich recht gut verstehe. Ich erinnere mich sehr wohl an Ihre beiden Beiträge zu „Wissen und verstehen“. Ich bin, anders als Sie, eher – oder vielmehr: klar – ein Mann des Wissens.
    Ich bin gespannt, was Ihre zukünftigen Beiträge mir über das Wissen hinaus noch vermitteln können. Bis dahin bleibt es für mich eben ein Sammelsurium, wenn auch ein interessantes und anregendes.

    Peter Raschle am 4. August 2006 um 16:41 Uhr

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