2BD – vorweihnachtliche Reflexionen zu Politik, Wirtschaft und Lösungen

von 2b am 22. Dezember 2007

Meinen Gedankengängen fehlt die Komplexität.
Sie sind zu einfach.
Wie kann man nur solch simple Wirtschaftsmodelle entwickeln und ernsthaft glauben, sie sie könnten als Orientierung dienen?
Andere haben schon eine Million mal weiter gedacht.

Das mag alles richtig sein.
Ich vertraue meinen Modellen trotzdem.
Ich bin sogar sicher, diese einfachen Gedanken machen den Unterschied.
Sie sind grundlegend – im eigentlichen Sinn des Worts.
Alles Grundlegende ist einfach.

Meine Erkenntnisse erschliessen sich jeweils aus einem grundlegenden Gesichtspunkt, der bis anhin wenig beachtet wurde oder wo aus dem Bisherigen die falschen Schlüsse gezogen wurden. Marx zB war ein Genie. Seine Theorien und Ableitungen sind hochkomplex und in sich durchaus schlüssig (soweit ich mich erinnere!). Aber Marx war naiv. Er glaubte an die Lebensintelligenz des Proletariats. Daraus kann nichts werden.

Ich bin nicht naiv. Und ich halte mich an die einfache Logik, die beim Fundament beginnt. Ich sorge dafür, dass der Schacht offen bleibt. Damit alle stets sehen können, worauf das Draufgebaute steht und kontrollieren können, ob es gut verbunden ist mit dem Fundament.
So soll garantiert werden, dass meine Modelle einfach bleiben.

Die Planeten folgen ihren Bahnen. Die relative Konstanz der Bahnen zeigt, dass sie einfachen Gesetzen folgen. Nur deren Berechnung ist kompliziert. Dasselbe gilt für einen gewöhnlichen Wurf eines Steins.
Ich beobachte, woher der Stein kommt und wohin er in etwa fliegt. Ich will ihn nicht berechnen. Ich will auch keinen künstlichen Stein mit einer künstlichen Flugbahn bauen. Ich vertraue auf das Leben und fordere meine eigene Tüchtigkeit heraus.
Ich denke, die Lösungen, basierend auf solchen Gedanken, sind viel einfacher als wir uns in unserer gewohnten, zweidimensionalen, komplizierten Wissenswelt vorstellen.
ZB pflege ich, erst nach der Lösung zu suchen, wenn sie gebraucht wird. Das klingt banal. Aber unsere Wirtschaft und Politik funktionieren vollkommen anders. Und geraten regelmässig in Panik, wenn akut eine Lösung gebraucht wird. Das kommt davon, wenn man unsicher, angstvoll ist und daher ständig nach Kontrolle strebt. Alles Wissen, alle Fakten sammeln – das verspricht Sicherheit. (Zu) früh planen, zu einer Zeit, wo der Kontext der Lösung noch gar nicht bekannt ist – das verspricht Sicherheit.
Doch mit der vermeintlichen Sicherheit ist nichts. Es geschieht alles im Kopf. Wir verlieren das Gespür, die Intuition und die Fähigkeit, im Moment rasch die Lösung zu finden und richtig zu handeln – alles bedeutende Aspekte von Lebenstüchtgkeit. Man nennt dieses zwanghafte Streben nach einer nicht erhältlichen Sicherheit beschönigend: vorausschauend.

Ein intelligenter Psychologe sagte mir neulich, einigermassen verzweifelt über hartnäckige Misserfolge bei seinem Streben nach erweiterter Lebenskompetenz:
«Wo soll ich noch suchen? Ich denke, ich weiss schon alles.»
«Das denke ich auch. Du kannst auf die Suche nach Neuem, nach dem, was `es` bringen wird, verzichten. Du weißt vielleicht schon alles. Was dir aber fehlt, ist verstehen. Sobald du das, was du weißt, verstehst, zB weil du aufgehört hast, davon oder damit etwas zu wollen, wirst du das, was du jetzt weißt, mit ganz anderen Augen sehen. Neue Räume werden sich dir öffnen, ohne dass neue Fakten sie aufzuschliessen bräuchten. Dieselben Fakten werden in neuem Licht erscheinen und somit deren Wirkung vollkommen verändern.“

4 Kommentare »

  1. Wie kannst du es wagen, Marx als naiv zu bezeichnen?
    Scheisse Mann, das ist so eine Anmassung!

    Willo am 24. Dezember 2007 um 2:54 Uhr

  2. stimmt. tut mir leid. falsches wort.
    das richtige wort ist: DUMM.
    das ist es , worin naivität bei erwachsenen stets ausartet: in dummheit.

    Wie kann man aus der tatsache, dass eine schicht jahrzehntelang ausgebeutet, geknechtet und entrechtet wird, schliessen, dass diese ‚das potential“ ist?
    Wie kann man auf die bigotte idee kommen, dass das proletariat oder auch die bauern die lebensintelligente masse seien, die ein land regieren, ja, eine diktatur errichten sollen?

    andererseits sehe ich auch das dilemma: wer sonst?
    die zaren und anderen grossgrundbesitzer, die ein ganzes volk hungern liessen?
    das noch junge bürgertum – die ausbeuter?
    das ergebnis ist bekannt:
    einer der wenigen, denen man einigermassen trauen konnte – trotzki – wurde von seinesgleichen ermordet. der schlimmste von allen – stalin, ein psychopathischer massenmörder – kam auf den thron.

    und in keinem land, das sich an marx“ theorie hielt, kam es besser raus.

    2BD am 24. Dezember 2007 um 12:11 Uhr

  3. Stellen Sie Stalin und Hitler auf eine Stufe?

    Anne-Marie P. am 25. Dezember 2007 um 10:45 Uhr

  4. beide haben denselben habitus des schlächters.
    doch stalin erreicht nie den status des ‚visionärs des grauens‘ von hitler.
    hitlers ausrottungen waren systematisch und folgten einer krankhaften ideologie.
    stalin hingegen ist eher mit dumpfen schlächtern wie ugandas idi amin zu vergleichen. seine ausrottungen folgten seinem ganz persönlichen verfolgungswahn.

    es gibt noch einen weiteren bemerkenswerten unterschied:
    stalin überlebte den 2. WK und stand im ansehen bis in die 70er jahre des 20. jh. – ein weiteres denkbar schlechtes zeichen für die durchschnittliche lebensintelligenz der menschen. ja, noch heute dürfte es weltweit abermillionen ’stalinisten‘ gebe, während die zahl der strammen nazis doch eher begrenzt ist (was die obige zwischenbemerkung trotzdem unterstreicht).

    2BD am 26. Dezember 2007 um 16:28 Uhr

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