Eidgenössische Wahlen – Nachlese4: Kontrapunkt zur kritischen Analyse – und das Beispiel Rama Yade

von 2b am 26. Oktober 2007

Die Kritische Würdigung der eidgenössischen Wahlen 2007 hat Raum gekriegt. Nun soll auch der Kontrapunkt zu Wort kommen.

Bei aller kritischen Sichtung ist zu beachten, dass die Mehrzahl der Menschen neben durchwegs vorhandener Lebensinkompetenz und Disfunktionalität auch im Stand ist, ganz gut zu funktionieren und liebenswürdige Seiten hat.
Diese Seiten können ganz schön verwirren und die Einschätzung der tatsächlichen Verfassung von Menschen erschweren.
(Habe ich noch kurz vor den Wahlen geschrieben, dass ich es vermag, Menschen aufgrund einer Fotografie korrekt einzuschätzen, so wurde ich am Wahlsonntag gleich eines Besseren belehrt. Es war sogar ein bewegtes Bild, das mir in einem Interview einen zwar klar bürgerlichen und etwas starren, aber doch ganz sympathischen Menschen vorführte. Als dann gegen Schluss des Interviews der betreffende Nationalrat als Präsident der ‚Auns‘ – einer rechtsnationalen Sekte innerhalb der SVP – angesprochen wurde, war ich bass erstaunt. Da machen es einem Blocher, Mörgeli, Schlüer und Konsorten schon viel einfacher. Aufgrund solcher und ähnlicher Erlebnisse, setze ich, wenn es drauf ankommt, regelmässig auf die persönliche Begegnung).

  • Wichtig ist diese Relativierung mE erstens, weil genau dieses schöne Phänomen uns bis heute vor dem totalen Desaster gerettet hat.
  • Zweitens soll diese Feststellung helfen, entsprechende Irritationen verständlich zu machen, die angesichts dieser ‚anderen Wirklichkeit‘ bei meiner kritischen Analyse entstehen können (ich werde demnächst einen ganzen Aufsatz dazu publizieren!).
  • Aber, wenn es auch wahr, schön und erleichternd ist, dass die meisten Menschen solche guten Seiten besitzen: Treten wir etwas näher und erfassen das, was hinter den Kulissen abläuft, so sind die Informationen eindeutig und meine Analyse legt sich wie ein Raster über die nur scheinbar komplexen, ungeordneten, aber auf jeden Fall insgesamt absolut besorgniserregenden Phänomene.

Für wenig Geübte gilt also, dass sie beide Seiten einer Person kennen müssen, um diese auch wirklich erkennen und korrekt einschätzen zu können. Besonders äusserlich erfolgreiche Menschen verführen uns zu kurzsichtigen Fehleinschätzungen, womit wir ihnen nicht gerecht werden. Folgende zwei Hintergrundinformationen helfen bei der korrekten Einschätzung von Menschen:

  1. Die Ansteckung durch das Unwertvirus UV21 ist individuell verschieden. Das heisst, die Interpretationen der Botschaften aus dem Familiensystem durch das Kleinkind lassen einen gewissen Spielraum dafür offen, wie vernichtend dann das Selbsturteil ausfällt und welche Antriebe daraus geschaffen werden. Was aber bleibt: Das Urteil ist stets existentiell – wie halt zu Beginn eines noch undifferenzierten Lebens praktisch alles existentiell erscheint. Ist die Mutter bzw die Nahrung einmal abwesend, wenn der Säugling Hunger hat, so ist die Hölle los.
    Kurz: ‚Ich bin unwert‘ in Varianten.
  2. Für das ‚offizielle‘ Verhalten – jenes, welches uns den materiellen und sozialen Erfolg sichern soll – ist ein anderer Faktor jedoch wichtiger. Für die Form unserer Karriere zeichnen in erster Linie die entsprechenden Standards in der Ursprungsfamilie verantwortlich. Lässt ein Vater vier Kinder und Mutter sitzen, so heisst die Botschaft für die naturgemäss noch unverständigen Kinder unzweifelhaft: „Ihr seid es nicht wert, dass ich bei euch bleibe; ihr seid unwert.“ Wenn die Mutter aber dann sagt: „Wir werden durchkommen, aber wir haben nur eine Chance, wenn wir uns unverfroren und kompromisslos durchsetzen,“ so werden zumindest jene Kinder, die eher der Mutter folgen, genau diese Eigenschaften entwickeln. Die im letzten Artikel beschriebene, dem UV21 zwangsläufig folgende und daher allgegenwärtige Angst wird zugunsten einer – in diesem Beispiel sympathischen – Forschheit erfolgreich verdrängt. Was jedoch die Öffentlichkeit bei einem solch beeindruckenden Phänomen, wie der jungen französischen Staatssekretärin für Menschenrechte, Rama Yade, nicht wahrnimmt, sind die Opfer, die sie auf diesem Weg gebracht haben. Wir wissen nicht, wieviel der für ein gutes Leben so wichtigen Wärme sie zB vermisst. Wir können höchstens erahnen, wie es damit steht, wenn wir eine Kollegin wie die amerikanische Aussenministerin Rice betrachten, die sich auf das Ende ihrer Karriere zu bewegt, wann sich das Innenleben erfahrungsgemäss immer mehr nach aussen kehrt, gleichsam durch die alternde Haut dringt.
    Doch bin auch ich egoistisch genug zu sagen: Lieber diese kompromisslos-furchtlose Person Yade, die vielleicht auf Kosten persönlicher Bedürfnisse handelt, als umgekehrt eine Person, die vor lauter Ängstlichkeit gar nichts tut, was über ihr vielleicht durchaus erfreuliches Privatleben hinausreicht. Aber weder das eine noch das andere bewahrt mich davor, fair zu sein. Was heisst, Menschen frei von Projektionen und persönlichen Wunschfantasien einzuschätzen.

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