Powernapping ist nicht die Lösung!

von 2b am 14. April 2007

Im Folgenden ein Artikel, der über Funktion und Wirkung der Liegepause Klarheit schafft und auch zeigt, dass das nichts mit ‚Powernapping‘ zu tun hat. Ja, dass dieses letztlich – einmal mehr – keine Lösung darstellt. Und dass Schlafforscher, bei allem Respekt, dafür meist die falsche Anlaufstelle sind; denn sie verstehen bloss etwas von Schlaf, von Pause haben sie, wie unsere Erfahrung zeigt, meist noch nie gehört. Geschweige denn von den drei Säulen der Regeneration! Schlaf ist bloss eine davon.
Die biochemische Forschung hat, vor allem in den letzten Jahrzehnten, eine ganze Menge von biologischen Rhythmen entschlüsselt, die das tägliche Funktionieren unseres Organismus regeln. Neben den zirkadianen Rhythmen, den 24-Stunden-Rhythmen – wie etwa dem Wach-Schlaf-Rhythmus –, gibt es eine ganze Reihe von ultradianen Rhythmen, die sich mehrmals pro Tag wiederholen. Die psychobiologischen Forschungen von Ernest Rossi beschreiben solche ultradianen Rhythmen in deren Wirkung auf alltägliche Verrichtungen und offerieren Möglichkeiten, sie gezielt zu nutzen, um den Alltag leichter und erfolgreicher zu gestalten.

Ganz prominent unter den ultradianen Zyklen sticht der „Ruhe-Aktivitäts-Zyklus“ hervor. Alle anderthalb Stunden ruft uns unser Organismus dazu auf, eine Pause von der jeweiligen Aktivität einzuschalten und die Kraft wieder neu zu schöpfen. Das ist ein ganz normaler Vorgang, dessen Sinn sich wohl jedem leicht erschliesst. Wer Kraft verbraucht, muss die Depots wieder neu auffüllen. Ansonsten erschöpft er bzw sie sich. Und auch ganz leicht wird die Einsicht fallen, dass regelmässiges Auffüllen der Depots uns stets mit genügend Reserven den Herausforderungen des Alltags begegnen lässt. Ein Motor, der über Reserven verfügt, erbringt die geforderte Leistung souverän und hält länger. Er ist zudem weniger störungsanfällig; ein Faktor, der sich besonders im Kostenbereich auswirkt. Denn ein Motor, der ausfällt, erzeugt nicht bloss Reparaturkosten: Er legt u.U. eine ganze Produktion lahm und verursacht durch die Dauer des Ausfalls zusätzlich Verzögerungen und damit Kosten.
Und schon sind wir bei den in den letzten Jahren explodierenden Gesundheitskosten! Die interessanterweise exakt parallel mit der sich beschleunigenden Erschöpfung der gesamten Gesellschaft verlaufen.

Unser Organismus ist also biologisch darauf eingestellt, regelmässig – etwa in 90 Minuten Intervallen – eine Regenerationspause einzuschalten.

Eine Regenerationspause ist allerdings etwas komplett anderes wie bloss von einer Aktivität zu einer andern zu wechseln!

Vielleicht kann sich in letzterem Fall ein Teilsystem ausruhen. Zum Beispiel ruht der Kopf (Schreibtischarbeit), während der Körper gefordert wird (Fitness). Oder Kopf und sozialer Kontakt ruhen (Verhandlung), während das Verdauungssystem aktiviert wird (Essen). Oder der Körper ruht (körperliche Arbeit), während Kopf und Emotionen aktiviert werden (Zeitung lesen).
Viele – die wichtigsten! – Regenerationsprozesse unseres Organismus erfordern nämlich zwingend das Herunterfahren des Gesamtsystems. Wird nur ein Teil davon deaktiviert, verharrt der gesamte Organismus weiterhin in einer Grundspannung. Und diese angehaltene Grundspannung ist vor allem verantwortlich für Dauerstress, in der Folge für hektisches Verhalten, für Nervosität und selbstverständlich für mannigfaltige Schlafstörungen.

Allerdings ist das Herunterfahren des Systems im Rahmen des ultradianen Zyklus wiederum etwas ganz anderes, als der zirkadiane Schlaf. Während beim Schlaf unser Organismus gleichsam den Herd abstellt, die Heizung ausmacht und das Licht löscht – und entsprechend Zeit braucht, bis alles wieder funktioniert (ein Grund – aber nur einer! – dafür, dass sich Menschen nach einem Kurzschlaf „zerschlagen“ fühlen!), wird für die Liegepause das System bloss auf Standby geschaltet, ist also rasch wieder hochgefahren und voll funktionstüchtig.

Entsprechend hält unser Organismus für die Liegepause ein eigenes, vom Schlaf völlig verschiedenes Erleben bereit. Ein wunderbar angenehmes dazu!

Es ist wirklich schade, dass mittlerweile einer erheblichen Zahl von Menschen dieses Erleben schlicht unbekannt ist. Wie unter anderem auch beim Sex ködert uns unser Organismus für vital wichtige Angelegenheiten nämlich mit Versprechungen von Lust und Wohlbefinden, damit das regelmässige Durchführen solcher für das Überleben zentralen Vorgänge nicht vergessen geht, wir uns gleichsam magisch dazu hingezogen fühlen.
Gleichwohl haben wir Menschen durch unseren Fleiss – und wohl noch etwas stärker durch unsere Gier sowie der Tendenz zu einem chronischen Leiden, Kurzsichtigkeit genannt – es geschafft, die Pause als Verheissung unvergleichlichen Wohlbefindens zu vergessen. Ähnliches droht nun ja auch dem Sex. Auch der Sex geht im Kontext von Dauerstress mehr und mehr vergessen.
Ja, wir sind schon ein sonderbares Lebewesen. Die Kunst, unsere einzigartigen Freiheiten für unser tatsächliches Wohl zu nutzen, ist wohl noch nicht so ganz zu voller Blüte entwickelt.

Unser Organismus lehrt uns also: Zur regelmässigen Liegepause tagsüber gibt es keine Alternative!

Also auch nicht das „Powernapping!
Nur genau der erwähnte Vorgang, ausgelöst durch das Einhalten bestimmter Bedingungen, bewirkt das gewünschte, vital nötige Ergebnis.

  • Wir können das vergleichen mit dem Schlaf: Im Stehen oder gar im Gehen schlafen gelingt nur selten.
  • Oder mit dem Essen: Löffeln ohne Nahrung im Teller macht kaum satt.
  • Oder mit der Muskulatur: Muskeln, die nicht bewegt werden, verkümmern unweigerlich und sind gebrauchsunfähig.

Wie die Pause durchgeführt wird und wie sie unmittelbar wirkt, beschreibe ich an andern Orten. Hier nun ein paar Worte zur Langzeitwirkung des natürlichen, sinnvollen Wiederschöpfens der Energie, die wir bei unseren Aktivitäten laufend verbrauchen:

Wenn Sie sich die Zeit für regelmässige Liegepausen stehlen, wird Ihnen jeden Tag eine Menge Zeit fehlen!

  • Sie werden nämlich keine Zeit mehr haben, um krank zu werden. Es wir Ihnen die Zeit fehlen für Unaufmerksamkeit und daraus resultierenden Fehlleistungen. Sie werden keine Zeit mehr haben für Schlafstörungen. Sie werden keine Zeit mehr haben für Dauerstress. Und keine Zeit für Depressionen. Und ebenso dafür, an den Menschen vorbei zu schauen, statt sie zu berühren.
  • Dafür werden Sie auf wundersame Weise plötzlich eine Menge Zeit finden, sich gut zu fühlen. Sie werden Zeit haben, stets auf Ihrem Topniveau zu leisten. Und Sie werden Zeit finden, das lustvoll und entspannt zu tun. Sie werden Zeit haben, sich gut und angemessen zu ernähren. Sie werden Zeit haben, konzentriert und kreativ zu sein. Sie werden sogar die Zeit haben, insgesamt mehr zu leisten, als ohne Pausen – sofern Sie bereit sind, mindestens das eine: Qualität oder Langfristigkeit dazuzurechnen. Ja, und Sie werden viel Zeit finden, Ihr Leben ruhig, souverän – und falls nötig geradezu explosiv kraftvoll anzugehen. Sie werden überraschend Zeit für Musse finden – Sie werden es zB geniessen zu warten. Und Sie werden – last but alles andere als least! – endlich wieder Zeit für Zärtlichkeit finden.

Überlegen Sie also gut, bevor Sie sich diese Zeit stehlen, ob die Zeit, die Sie dadurch verlieren, auch angemessen kompensiert wird…

PS: Es handelt sich hier um einen Vorabdruck meines Buches über Wohltat, Nutzen und Lebensnotwendigkeit der Liegepause, eines Buches über intelligentes Management der menschlichen Energie.
Ein Artikel über die drei Säulen der Regeneration
erschien im Online-Magazin ‚Werkplatz 2BD‘.

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