Entwicklungshilfe – Markt – und Zäsur

von 2b am 31. Oktober 2006

Wenn ich meine Gedanken verfolge, wie sie sich weiter in die Materie ‚Armut‘ hineinbohren, spüre ich sofort, das ich beginne, mich in einen Dschungel hineinzubewegen. Es würde rasch endlos, und ich würde mich unweigerlich früher oder später verstricken. Und das, nachdem ich mich eben erfolgreich aus einem andern Dschungel – dem der Psychologie – herausbewegt habe!
Also ist es Zeit, eine Zäsur zu machen und das Thema zu lassen.
Denn:

Wenn wir eine Lösungsfabrik sind, so heisst das, ich muss frei bleiben vom Wunsch, etwas zu ändern. Meine Aufgabe ist es,
Anhaltspunkte zu liefern für eine alternative Orientierung, die neue, unerwartete Räume für Lösungen öffnet.

Das heisst, ich muss im Raum des Einfachen, Klaren und Machtvollen bleiben. Das, auch wenn das im ersten Moment utopisch und nicht machbar erscheint. Erst wenn man aus dem Gefängnis der eigenen Struktur hinaustritt, werden die Möglichkeiten. Diese Anhaltspunkte zu liefern und konsequent dabei zu bleiben, bis das Gegenüber heraustritt und sie selber entdeckt – das sehe ich als meine Pflicht.

In diesem Sinn hier noch zwei weitere Anhaltspunkte:

  1. Ich plädiere dafür, den Begriff ‚Entwicklungshilfe‘ ganz aufzugeben. Welche Anmassung, andere Menschen, ganze Völker ‚zu entwickeln‘! Befreien wir uns vom Wahn, allen müsse es gleich ergehen wie uns. Sie müssten industrialisiert werden, einen Haufen Waren um sich herum auftürmen und Ressourcen aller Art vergeuden. Sie müssten immer schneller werden, aber weniger statt mehr Zeit haben, um zu leben.
    Ein selbstkritischer Blick auf unsere Verhältnisse sollte eigentlich reichen, um von diesem egomanen Wahn Abstand zu nehmen. Was ist falsch daran, etwas von Hand zu machen, wenn es auf diese Weise zum Leben reicht?
    Was haben wir wirklich dabei gewonnen? Und was haben wir verloren? Wir haben zwar mehr Möglichkeiten, für unsere Gesundheit zu sorgen, aber wir werden werden mit jedem Jahr kränker. Wir haben unseren Alltag automatisiert. Aber, wie gesagt, wir haben mit jedem Jahr weniger Zeit. Wir haben kurze Arbeitstage und dies nur während vier bis fünf Tagen pro Woche. Aber unser Stresspegel steigt in steiler Kurve ins Unermessliche.
    Und das Krasseste: Wir weigern uns, das zu sehen. Wir weigern uns als Kollektiv, uns die Augen zu reiben und zu fragen: Was tun wir da? Und einen Notstopp einzuleiten – eine gesellschaftliche Zäsur für Neuorientierung. Stattdessen streiten wir uns in der Politik um irgendwelchen – ich kann es nicht anders sagen: Scheiss. Und die wichtigsten Bereiche der Wirtschaft versuchen eh, uns blind zu halten. Und dies mit Absicht: Die radikale Ausbreitung der Märkte duldet keine Zäsur und schon gar keinen Stopp, um nachzudenken. Es gibt schon genug Ärger mit Völkern, die nicht mehr untertänig unserer christlichen Ideologie folgen.
  2. So ist denn der zweite Punkt folgender: ich plädiere dafür, den Mythos Markt zu entlarven und ihn für eine Weile aus dem Repertoire zu streichen (siehe dazu auch ‚Der Markt‘ im WP 35 11/05!).
    Die wohlmeinenden Entwicklungsübungen verkommen zu nichts Weiterem, als zu Alibiübungen im Dienst expansiver und menschenfeindlich handelnder (Markt-)Wirtschaft. Weshalb sollen diese Völker ‚entwickelt‘ werden? Na, klar: Weil sie dadurch zum Markt werden! Es macht wenig Sinn, einem einfachen Bauern, der sich nur in seinem Dorf bewegt, ein Handy zu verkaufen. Wurden im alten Wirtschaftsimperialismus (der natürlich immer noch andauert) die Ressourcen der Agrarländer radikal ausgebeutet und reichte es, wenn jene Menschen Christen wurden und somit untertänig unserer Ideologie folgten, so sollen sie heute mindestens minimale Kaufkraft erhalten, um unsere Waren zu kaufen. Deren Gier tut dann das übrige. Womit wir wieder beim UV21 gelandet wären – und das ist gut so.

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