Muslime – Kopftuch – Asylanten – und ein bisschen Papst

von 2b am 9. September 2006

Lange habe ich mich diesbezüglich abseits gehalten.
Geschichten wie jene mit dem Kopftuch waren mir einfach nicht wichtig genug, um mich näher darauf einzulassen.
Die Frage des Umgangs mit Asylanten war mir einerseits zu wenig wichtig, anderseits etwas zu heiss umstritten, als dass ich eine Chance gesehen hätte, mit prononcierten Äusserungen, die weder der einen noch der andern Seite Recht geben, verstanden zu werden. Und solange ich nicht verstanden werde, ist mein Beitrag irrelevant. – Das gilt auch für meine Kerngebiete. Aber dort muss ich es einfach tun: mich äussern. Oder dann mich ganz zurückziehen.

Ein Gespräch, wie sie im Vorfeld der Asylgesetzabstimmung in der Schweiz, sowie angesichts der hierzulande aktuellen Bestrebungen, den Bau von Minaretten zu verbieten, fast unvermeidlich sind, bewegte mich, mich der Sache mal anzunehmen. Und Folgendes ist dabei herausgekommen:

  1. Durch ein Kopftuch die Haarpracht zu verdecken – ohne irgend einen einsichtigen Schutzbedarf – ist mit 15’000 %iger Sicherheit der Ausdruck von Frauenunterdrückung. Ach, es ist Tradition?! Aber sicher! In den entsprechenden Ländern ist es Tradition, die Frauen zu unterdrücken.
  2. Man muss schon sehr lebensdumm sein, um das Tragen von Kopftüchern für Musliminnen zu verbieten. Ist das Tragen von Kopftüchern in unserer Gesellschaft für alle verboten? Ist es nicht, oder? Regeln aufzustellen, die nur für bestimmte (erwachsene) Gruppen gelten, haben wir ja gehabt, nicht wahr? Vergessen? Sollen wir die Juden fragen? Oder die katholischen Iren? Das ist nicht bloss ungeheuerlich: Das ist schlicht und einfach faschistisch. Faschistisch! (Hier ist das kein plumpes, verfehmendes Schimpfwort, sondern eine korrekte politische Beschreibung. Hallo Frankreich!). Oder rassistisch. Fragen wir die Schwarzen in Südafrika.
  3. Was steckt dahinter? Es ist die berechtigte Einsicht, dass das Tragen von Kopftüchern ein für unsere Gesellschaft intolerables Zeichen von Unterdrückung ist. Und es ist der vollkommen unberechtigte Versuch, das per Dekret zu ändern.
  4. Wir haben weder das Recht noch de facto die Chance, irgend jemanden zu ändern. Das gilt auch für uns selbst! Wir können niemanden, auch uns selbst nicht ändern. Was wir können, ist: Bedingungen zu schaffen, unter denen Veränderung sich vollziehen kann. Das wiederum gilt ebenso für uns selbst, wie für andere; es gilt auch für die bekannten grossen internationalen Reibungen. Die erste dieser Bedingungen bzw Voraussetzungen ist: Respekt.
  5. Die wichtigste Orientierung für unser Verhalten bietet das, was das Leben von uns verlangt. Dann folgt die Lebensvernunft (wie, bei rot die Strasse zu überqueren, wenn kein Verkehr herrscht). Die Lebensvernunft ist den Regeln vorgeordnet. Dann folgen die Regeln, die Gemeinschaften treffen. Ein Teil davon sind die Gesetze. (Und über allem die Religion… das lähmt dann jede Lebensvernunft und folglich das Leben überhaupt!). – Diese Hierarchie ist für die Lösung von Konflikten sehr wichtig. Meines Erachtens auch für die Rechtsprechung.
  6. Unsere Regeln sind für alle, die hier leben verbindlich. Wer gegen eine Regel verstösst, muss eine angemessene Sanktion erfahren. Verstösse, die das Leben der Gemeinschaft gefährden oder dessen Zerstörung leichtfertig in Kauf nehmen, sind die schwersten Verstösse und entsprechend drakonisch zu ahnden. Bsp: Handeln mit harten Drogen gefährdet unser Zusammenleben in hohem Mass; ist drakonisch zu ahnden.
  7. Konsequenzen: Ist ‚kein Kopftuch tragen‘ eine hiesige Regel? Natürlich nicht. Ist Schwimmunterricht eine Regel? Ein bisschen (Schulfach); aber für unser Überleben irrelevant. Wir leben in der Regel (sic!) auf festem Boden. Am Schwimmunterricht nicht teilnehmen tangiert unser Zusammenleben ebenso wenig, wie am Samstag nicht schreiben (Juden). Sobald die Unterdrückung der Frauen unser Gemeinschaftsleben tangiert (zB Gewalt), ist es zu ahnden. Bedenken wir, dass auch Christen ihre Frauen nach wie vor massenhaft unterdrücken! Dort kennen wir das Mass recht gut. (Nota bene: Für unsere offene Gesellschaft gilt: Auch unterdrückte Frauen bleiben in der Verantwortung – zB den Unterdrücker zu verlassen. Abhängigkeit ist in unserer Gesellschaft keine Entschuldigung. Auch muslimische Frauen unterstehen dem Anspruch, das zu lernen, wenn sie hier leben (s.u.)).
  8. Gäste, die in einem Land bleiben wollen, vollkommen egal, aus welchen Gründen(!), haben die Auflage, die wichtigsten Regeln innert kurzer Frist zu lernen und einzuhalten. Das betrifft insbesondere die Fähigkeit, sich im Gastland perfekt zu verständigen – sprich das Erlernen der hiesigen Sprache.
  9. Wer wichtige Regeln missachtet, deren rasches Erlernen vernachlässigt oder verweigert, verwirkt sich selbst das Recht, im Gastland zu bleiben und geht.
  10. Auch unwichtige Regeln müssen von allen respektiert (wenn auch nicht unbedingt und immer befolgt) werden.
  11. Für Gäste, die sich erst seit kurzem im Land aufhalten, gilt die zusätzliche Pflicht, die Gastregeln zu befolgen (vor allem umfassende Zurückhaltung, bescheidene Ansprüche und nachgeordnet sein).
  12. Innerhalb der Regeln einer Gesellschaft bleibt jede Menge Raum für kulturelle Eigenheiten, für Verschiedenheit und Vielfalt – und für angemasste Lebensvernunft (da können alle Einheimischen von Fremden, die andere hauseigene Regeln gelernt haben, Dinge also anders handhaben, also anders ‚ticken‘, eine Menge lernen und die eigenen Regeln stets auf deren Nähe zur Lebensvernunft überprüfen und auffrischen!).So, nun habe ich mich ziemlich zum Fenster rausgelehnt. Fenster zu. Gute Nacht!

4 Kommentare »

  1. Lieber Bernhard
    ich befürworte, dass du dich zunehmend deutlich äusserst.
    wie du weisst, bin ich Deutsche und spreche auch als in der Schweiz Wohnhafte hochdeutsch. Bist du der Ansicht, ich müsste den Lokaldialekt sprechen?

    Tessa Borges am 11. September 2006 um 21:15 Uhr

  2. hallo tessa
    meine erinnerung ist nur noch vage, aber das schmälert mein willkomm auf meinem website keineswegs.

    zu deiner frage: ich habe vom anspruch, sich perfekt verständigen zu können, gesprochen. kannst du das mit deinem hochdeutsch?

    2BD am 11. September 2006 um 21:20 Uhr

  3. ja, natürlich das kann ich.

    Tessa Borges am 11. September 2006 um 21:21 Uhr

  4. damit ist deine frage beantwortet.
    allerdings betrachte ich es als sinnvolle referenz an das gastland, wenn man den dialekt beherrscht; also nicht nur versteht, sondern auch spricht.

    2BD am 11. September 2006 um 21:25 Uhr

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