Lösungswege

von 2b am 11. Dezember 2005

Ich liebäugle mittlerweile mit einer pessimistischen Weltschau.
Weil ich belehrbar bin.
Ich vertraue auf die tierische Urkraft in uns, die immer wieder Wege findet.
Weil ich unbelehrbar bin.

Ich bin im Einklang mit meinen Schwächen. Ich erzähle ganz freimütig davon. Hier nun, zum Ausgleich, etwas von meinen Stärken.
Ich erkenne, was Leben im Zusammenhang mit der Natur ist und soll. Und ich kann das genau beschreiben. Ich verstehe, wo wir Menschen hier und heute stehen. Und ich kann das genau beschreiben. Ich kann auch einleuchtend mutmassen, wie es zu unserer gegenwärtigen Verfassung gekommen ist. Und ich kann das mit einfachen Worten darstellen. Wichtiger allerdings als all das: Ich habe aus meinen Einsichten und Erkenntnissen sowie aus meiner beruflichen Fachkompetenz einen Lösungsweg abgeleitet, der uns Menschen in die Lage versetzt, die meisten Herausforderungen, denen wir aktuell gegenüberstehen, vergleichsweise einfach zu bewältigen. Einfach verglichen mit dem Aufwand, den wir heute betreiben, um an den Lösungen vorbeizuarbeiten bzw Lösungen zu finden, die ebenso grosse, neue Probleme mit sich bringen. – Und was ich auch beherrsche: Ich kann den Lösungsweg genau beschreiben.
Das ist Häresie im 21. Jahrhundert der westlichen Hemisphäre! Ich weiss. Ich fahre trotzdem weiter: Die Lösung selbst bedarf noch weiterer Forschung und breiter Anwendung, um sie zu optimieren, zu differenzieren – und um sie schliesslich in allen menschlichen Gesellschaften anwendbar zu machen.
Konzentrieren sich unsere personellen und materiellen Ressourcen nur schon zu einem geringen Teil auf diese Lösung, die, breit angewendet, rasch überwältigenden, umfassenden Nutzen bringt (ich weiss: eine infame Behauptung!), so kann ich die ausreichende Optimierung ebenso wie die angemessene Differenzierung nicht anders denn als Klacks bezeichnen. Den Lösungsweg selber zu beschreiten allerdings bringt erheblichen Aufwand mit sich. Es wäre ganz und gar irreal zu hoffen, das einfache Wesen der Lösung bedeute auch einfache Applikation. Wir müssten gleichsam nichts tun und schon wird alles gut. Nein: Den Lösungsweg beschreiten fordert jedes Individuum, das sich dafür entschliesst, mannigfach heraus (wer sagt“s denn: Sch…!). Es muss sich auf den Weg konzentrieren. Ihm Platz und Zeit einräumen. Sich zahlreichen Ängsten stellen. Es fordert seine Hingabe, sein Engagement, seine unabdingbar wachsende Lebensintelligenz (ansonsten kein Durchkommen ist!). Gar kollektiv den Lösungsweg zu beschreiten, so einfach er in seinem Wesen ist, bringt enorme Umwälzungen in sämtlichen Gesellschaftsbereichen mit sich. Ist ja auch wünschenswert, nicht? Oder sollen wir weiterhin neben unserem scheinbequemen Leben oder bequemen Scheinleben als Abfallprodukt davon Verbrechen und Armut bekämpfen? Eine Unzahl von unnötig Verunfallten und Kranken wiederherstellen? Kriegszerstörte Gebiete wieder aufbauen? Mindestens 80% aller Erwachsenen als Süchtige haben (wahrscheinlich sind es 95%)? Von massenhafter Verfettung auf der einen Seite und von Hunger auf der anderen Seite eingerahmt sein? Weit mehr als die Hälfte aller Menschen (die Frauen allein stellen schon 50%) als Unterdrückte, Ausgebeutete, Entrechtete haben? In einer schwer geschädigten Umwelt mit schlechter Luft, minderwertigem Wasser, mieser Nahrung leben? Unter allgegenwärtigem Lärm und Licht leiden? Hören wir auf mit der Beschreibung des alltäglichen Schreckens: Mehr Licht! – Natürlich wollen wir all das nicht. Schon gar nicht für ein angsterfülltes, gefühlsarmes, oberflächliches, gehetztes Scheinleben. Das uns nur lebenswert erscheint, weil wir seit Generationen zunehmend vergessen, wie saftig es sein könnte, dieses verdammt gute Leben. Noch nicht genug von diesem Abgestumpftsein? Diesem Nichtmehrwissen? Diesem Sichmitwenigmehralsnichtsabfinden? Und wie hältst du es mit dem beharrlichen Versuch, diese Leere mit Geld und vollen Kühlschränken zu füllen? Diese Stumpfheit mit Unterhaltung und Drogen farbig zu übertünchen? Du nicht? Na, wunderbar! Jedenfalls: Das sind die grössten Hindernisse auf dem Weg zum Lösungsweg. Doch, was kümmert das mich?
Ich schreibe für mehr Mut zum Unbekannten. Und Stehvermögen. Denn diese enormen Umwälzungen, die mit dem Beschreiten des Lösungsweges zu befürchten, zu ersehnen sind: Sie benötigen Mut. Und Stehvermögen. Aber: Hast du noch Mut, angesichts des grassierenden Leichtsinns? Die liberale Presse verbietet sich selbst, irgendwo Stellung zu nehmen. Pluralismus ist zum absoluten Wert avanciert. Und mit den reaktionären Stimmen, die Füsse im 19. Jahrhundert, die das Leben als solches verhöhnen, weil sie sich furchtbar davor fürchten, möchtest du wohl auch nicht heulen. Doch wiederhole ich immer wieder: Auch diese sollen ihre Chance haben. Allerdings ohne Kompromisse. Ein harter Weg. Aber dafür stehen sie ja gerade ein.
Der grosse Aufwand, den das Beschreiten des Lösungsweges erfordert, scheint mir nur fair, angesichts unserer unfassbaren Verfehlungen gegenüber dem Leben. Über Jahrtausende hinweg. Und der geforderte Aufwand ist wiederum geradezu lächerlich gering, gemessen am gigantischen Aufwand, den wir in kurzsichtige Halb-, Pseudo- und Nichtlösungen investieren. Und übrigens: Für all das bezahlst du. Mit deinem Geld. Mit deinem Leben.
Nun, was meine Stärken betrifft, so weiss ich natürlich um die oberflächliche Beliebigkeit als Megatrend in unserer Kultur. Unser Mainstream begegnet allem, was tief geht, nachhaltig wirkt und dafür Aufwand erfordert, mit Skepsis, Sarkasmus, ja Hohn. Wenn alles gleichwertig – also ohne Wert – sein muss, wirkt eine einfache Antwort, die sich umfassend auswirkt, rasch als Bedrohung. «Wirkung? Ok. Dann aber bitte schnell. Und kurz. Morgen ist wieder was anderes dran.» Ich weiss auch um die miserablen Erfahrungen, die wir Menschen mit basalen Lösungen, „Globalrezepten“ uä gemacht haben. Dabei gab es doch ganz probate darunter. Aber eben: Die Menschen, die sich dranmachten, das Potential dessen auszuschöpfen, was sie im Schilde führten, waren leider in ihrer inneren Verfassung ihrem grossartigen Vorhaben ganz und gar nicht gewachsen. Ich behaupte, kein anderes Tier hätte sich im Angesicht von attraktiven Lösungen über so lange Zeit so dumm verhalten wie wir. Aber auch kein anderes Tier hat es auch nur im Entferntesten so weit gebracht wie wir. Das ist ja gerade der Kern meines Lösungsweges: Die innere Verfassung von Menschen soweit herzustellen, dass sie die alltäglichen kleinen und die nichtalltäglichen grossen Lösungen von selber finden. Weil sie, statt scheinbar unverrückbar an der Strippe von uralten, irrealen, lebensfeindlichen und lebensdummen Mustern zu hängen, wieder lebensintelligent geworden sind.
Daher bitte ich, vor dem Verdammen – oder von mir aus auch nachher – meinen Lösungsweg ernsthaft und sorgfältig zu prüfen. Weil er Natur pur ist. Mit einer kleinen nachträglichen Manipulation versehen (ist es nicht gerade diese Fähigkeit, die einen Teil unseres Smartseins ausmacht?). Die ihrerseits wieder bloss zur Natur führt.
Ich weiss natürlich auch, dass die Chancen auf breite Zustimmung zu meiner Offerte in absehbarer Zeit gering sind. Zu verbohrt und zu lange glauben wir schon an den Weg auf dem Abstellgleis. Zu verschlossen und zu stumpf sind wir schon geworden gegenüber unserer eigenen Vitalität und Lebensintelligenz. Zu lange wohl haben wir schon gelitten. Und dieses Leiden durch Verdrängen einzudämmen versucht. Zu lange wohl haben wir uns mit Drogen, Lärm, Hetze, DVD“s und mieser Nahrung, mieser Luft und miesem Wasser zugedröhnt und beschädigt.
Ich gestehe, diese geringe Chance erleichtert mich auch etwas, im angenehmen Ausblick auf das mittelfristig zu erwartende Arbeitsaufkommen. Es fördert den Frieden dessen, der mit seinen Lieben und Freunden beharrlich und ohne irgendeinen Aufwand zu scheuen schon ganz schön viel von jenem Leben zurückerobert hat. Was ihn nun aber doch in Dreiteufelsnamen mit allen Wesen derselben Gattung untrennbar und solidarisch verbindet.

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3 Kommentare »

  1. du möchtest wohl den grossen Guru, den grossen Zampano spielen. Dabei bist du doch bloss ein kleiner Wixer.

    Tim B., Heidelberg am 16. März 2006 um 11:37 Uhr

  2. gut getroffen.
    So ähnlich würde ich das auch beschreiben.
    2BD

    2BD am 16. März 2006 um 12:12 Uhr

  3. es gilt doch: Egal, was aus dir wird, behalte stets in deinem Bewusstsein, dass du letztlich unbedeutend bist – ein kleiner Wichser eben.
    In überhöhten Biografien wirkt diese Tatsache dann als Entlarvung:
    Der grosse Alexander starb wie ein kleiner Wichser.
    JFK starb wie ein Staatsmann und führte das Privatleben eines kleinen Wichsers.

    2BD am 21. März 2006 um 17:31 Uhr

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