Plädoyer für eine nostalgische Revolution

von 2b am 5. September 2012

Küsschen links-Küsschen rechts-Küsschen links… oder doch nur links-rechts?

Vorbei die gute Zeit der Umarmungen.
Ja, die Zeit. Keine Zeit, sich wirklich zu begrüssen, sich zu drücken? Keine Zeit für einen Moment der intimen Stille?

Wie konnte das passieren?
Wie war es möglich, dass die Befreiung zur öffentlichen Körpernähe im Nachklang zu den 70er Jahren nicht nur verschwunden ist, sondern ins Gegenteil verkehrt wurde? Die Körperfeindlichkeit ist heute grösser, als sie das in den Jahren vor der 68er Revolution war. In der Hotelsauna scharen sich die Nackten bereits zur trotzigen Minderheit zusammen. Ganz besonders die Jugend zeichnet sich durch eine neue Körperfeindlichkeit, bzw durch Hemmungen aus!

Weisst du noch, als sich plötzlich selbst das verklemmte Grosi zu einem Kuss bewegen liess? Das war eine kleine Revolution. Und eine grössere Befreiung für jene Generation von vor dem 2. WK.
Aber nun ist alles zum abstrakten, starren Ritual verkommen, dem sich leider auch jene nicht mehr entziehen, die gar nicht wollen.
Küsschen links-Küsschen rechts-Küsschen links. Die Distanz dabei ist körperlich spürbar.

Der Grund dafür?

Ist ja egal. Es ist Fakt, das reicht. Ambivalenz des Fortschritts; damit ist bereits genug erklärt.

Und irgendwie passen Nähe und echte Zärtlichkeit doch gar nicht zum Dauerschwumm auf der Stresswelle. Irgendwie kontrapunktisch, nicht?

Konsequenz:
Ich jedenfalls werde in meinem näheren Kreis für Echtheit plädieren. Ein Händedruck, wos passt, ist fair. Oder dann eine richtige Umarmung. Ein Kuss auf den Mund – wo er doch zuerst mal hingehört – für enge Verbundenheit, Vertrautheit oder überschwängliche Freude – wers vermag.

Ich plädiere für eine nostalgische Revolution in Sachen Echtheit und Nähe!

Eine Verführung zu viel Zärtlichkeit und Zeit für Nähe! Auch wenn es bloss um eine Begrüssung oder den Abschied geht.

3 Kommentare »

  1. Diese Begrüssungsküsse waren mir schon lange unangenehm.(Es ist mir klar, dass es bei mir auch noch mit anderem zu tun hat).Ich bin einfach nicht mit dieser Gepflogenheit aufgewachsen. Oft fühlte ich mich nicht „richtig“ oder hatte das Gefühl, dass andere das Gefühl hatten, ich begrüsse sie nicht angemessen, wenn ich es nicht mache. Dieser Artikel spricht mir gerade aus dem Herzen.

    Heidi am 8. September 2012 um 10:10 Uhr

  2. Um echte Nähe zuzulassen braucht es (körperliche) Transparenz. Wenn ich mir zu wenig Ruhepausen gönne, spüre ich, wie sich meine Muskulatur nach und nach anspannt und parallel dazu die Offenheit nachlässt. Im üblichen Dauerstress ist es absolut unmöglich, echte Nähe zu spüren.

    Ursula am 10. September 2012 um 17:34 Uhr

  3. …das öffnet mein herz. ich habe das gern aufgenommen und sogleich mit meiner frau barbara
    umgesetzt.

    melchior am 12. September 2012 um 14:31 Uhr

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