Und sie bewegt sich doch …

von 2b am 22. Februar 2011

Dieser Artikel schliesst an den Beitrag «Revolution» an.

ENDLICH!
Seit Jahren spreche ich von der Notwendigkeit einer Bewegung, die internationales Format gewinnt. Seit Jahren wünsche ich mir das. Denn, ich sehe die unbedingte Notwendigkeit dafür.

Denn, wie wir eben vordemonstriert bekommen, schaffen Volksbewegungen

  • einen Kontext, der es auch weniger mutigen Menschen erlaubt, sich der Bewegung anzuschliessen.
  • eine Eigendynamik, die Grenzen mühelos überschreitet, die selbst die mutigen Auslöser der Bewegung nicht zu überschreiten wagten.
  • ein Machtvolumen, das Bedenken, kleinmütiges Zögern und Widerstände einfach hinwegfegt.

Solche Bewegungen sind weder vorauszusehen, noch zu planen. Das ist gut so.

Und nun ist es eben passiert. An einem Ort, in einer Kultur und von Menschen, von denen das zuletzt erwartet wurde. Noch während wir uns mit den Islamisten, den unangefochten regierenden arabischen Diktaturen sowie mit der riesigen reaktionären islamischen Welle befassten, die den Westen zu überschwemmen droht – wobei … das haben die westlichen Kulturen nun ja selbst übernommen! –, passiert da unten etwas ganz anderes. Jene Kulturen  haben es übernommen, sich selber mit den verhockten, unterdrückerischen Strukturen machtvoll in Frage zu stellen. Plötzlich geht es nicht mehr um (vom Westen liebevoll gehätschelte) Minoritäten. Plötzlich können wir es diesen Kulturen selbst überlassen, sich in eine zumindest etwas lebensvernünftigere Zeit hinein zu bewegen.

Halleluja! Die Revolution lebt!

Und das beste daran: Wir können bequem vom Sofa aus zusehen. Ohne einen Finger zu rühren. Ohne uns im geringsten zu ängstigen – im Gegenteil: Das, was da unten passiert, beruhigt doch ungemein, nicht wahr? Und vor allem:

Wir kriegen, wie weiland beim Fall des eisernen Vorhangs, Recht.

Welch süsse Botschaft für schwache Menschen! Unser politisches System ist doch das Beste; so wie wir das in den Achtzigern lauthals für das wirtschaftliche System verkündeten. Bis uns … zuerst die Wirtschaftskrise nach der Jahrhundertwende, als ein aufgeblasener Internetkaugummi zerplatzte, und nun der ganz grosse, trotz wirtschaftlicher Teilerholung nicht enden wollende Kater mit der jüngsten Misere, die mit dem Zerplatzen der Immobilienkaugummiblase begann, eines Schlechteren belehrten.

Nun dürfen wir also gespannt sein, wie das mit unserem politischen System weitergeht, das, trotz gigantischer Berlusconi-Sarkozi-Merkel-Cameron-Teaparty-Blase, so sattelfest-stabil erscheint, wie nie zuvor. Aber das glaubten ja die meisten auch vom Internet und den Anlagefonds. …

A propos: Vor rund zehn, fünfzehn Jahren versuchten wir – eine Gruppe enthusiastischer Menschen, die am Blut des vollen, saftigen, echten Lebens geleckt hatten – hier im Westen eine Bewegung zu lancieren. Die Notwendigkeit war ebenso vorhanden, wie die neuen Ideen. Ja, sogar die Wege zur Lösung waren, zumindest ausreichend, erschlossen. Und das alles gilt immer noch. Nein, mehr denn je!
Das Thema heisst:

Wir haben das Recht auf eine zweite Lebensschule, nachdem die erste seit eh und je und skandalöserweise unvermindert in so vielem scheitert!

Nur handelt es sich dabei um eine Volksbewegung, die vor allem persönliche Schritte erfordert: innere mutige, beharrliche und entschlossene Schritte. Gleichsam also eine innere Bewegung.
Natürlich entscheidet sich dann wiederum vieles draussen, zB bei der Zivilcourage, die bei der Umsetzung gefordert ist. Da hilft eben eine Volksbewegung enorm. Der Nachbar tuts, also kann ich es auch tun. Deshalb muss sich auch diese Bewegung offen in der Gesellschaft zeigen.

„Wir haben das verdammte Recht auf umfassende Lebenskompetenz!“

Nun, die Zeit war damals eindeutig noch nicht reif für eine Trendwende weg vom Wahn der Daueraktivität, der Dauerablenkung, des 24-Stunden Entertainements, was zwangsläufig im zweidimensionalen Leben, beschränkt auf eine (Ober-)Fläche enden muss. Der Trend war noch nicht einmal auf dem Höhepunkt angelangt. Der Topf kochte noch nicht bis zum Überlaufen (was ich eben gerne verhindert hätte – der Opfer wegen. Wie naiv!).
Die Zeit war noch nicht reif für eine Trendwende weg vom Verlust des eigenen Selbst (übrig bleibt nur Form, ohne Inhalt – dafür hätten wir als Metapher keinen treffenderen Trend schaffen können, wie die Schönheitschirurgie).

Wann aber wird der Höhepunkt erreicht sein? Wann kocht die Stresssuppe über? Niemand weiss es. Und ist die regelmässige und logische Hoffnungsträgerin, die Jugend, die ja sogar Wortführerin dieses Trends ist, dannzumal überhaupt noch in der Lage, sich anders, denn virtuell zu bewegen? Wird die Bewegung also eine virtuelle sein?

Virtuell das eigene Selbst finden? Echte, verlässliche, dauerhafte Beziehungen? Starke emotionale Bindungen?
Virtuell die innere und äussere Ruhe finden? Den tiefen Bezug zur Natur?
Verzeiht mir mein wohl altersbedingt beschränktes Vorstellungsvermögen; aber das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen. Aber, ich lasse mich gerne belehren, ohne Zweifel.

Oder wird die Krise für einmal zuerst die alternden Menschen packen und zum Aufstand führen? Sie haben ja die Macht bereits.

Wie auch immer, es bleibt dabei: Auch hier gilt das Gesetz, dass bei einer Bewegung weder Zeitpunkt, noch Ort, weder Auslöser, noch der Slogan, der auf die Banner geschrieben wird, vorausgesagt werden können. Das ist gut so; sonst wäre es eine gesteuerte Bewegung, wie wir sie in sämtlichen Kulturen und Regierungssystemen zuhauf kennen. Die Manipulation ist ein auf der ganzen Welt verbreitetes Übel.

Was also ist zu tun (wie weiland bereits der gute Lenin in einer parallelen Situation fragte)?

Mir scheint, zur Zeit bleibt mir nur, mich in der Kunst zu üben, mit meiner Sache gleichsam ambitionslos und doch mit aller Kraft dranzubleiben, egal, wann, wo und ob überhaupt je eine Bewegung mit dieser Thematik entsteht.
Wenn ich mal den kurzfristigen Anspruch auf persönliches, echtes Wohlergehen ignoriere, so wie das unsere Gesellschaft ja ganz konsequent tut, so bleibt immer noch der Schluss: Für unser mittelfristiges Überleben wärs nicht schlecht.

1 Kommentar »

  1. […] es geschieht. Und unglaublich schnell. Die Opfer entsprechen in etwa dem kulturellen Standard in jenem Land. Tragisch, aber […]

    2bd Blog | Bernhard Brändli-Dietwyler » Stirb! am 22. Februar 2011 um 20:31 Uhr

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