Wachstumswahn … oder doch nicht?

von 2b am 19. November 2010

Vom Wachstumswahn zu sprechen ist in aufgeklärten Kreisen mittlerweile salonfähig.
Dabei handelt es sich bei diesem Zwang, unter den sich die Wirtschaft mit ungeheurem Druck setzt, gar nicht um einen Wahn.

Zugegeben, die ungebrochene Euphorie von entsprechenden Blindgängern nimmt manchmal wahnhafte Züge an. Doch im Grunde handelt es sich mit der lauten Proklamierung des Wachstums um einen biologisch begründeten Drang.
Jede Tier- und Pflanzenart möchte sich ausbreiten, ausbreiten, ausbreiten, … auch gegenüber andern Artgenossen! Denn, jederzeit droht der Niedergang. Je grösser die Population, je grösser das Territorium, desto grösser die Überlebenschancen, sollten sich die Bedingungen verschlechtern.

Nun ist es jedoch so, dass wir Menschen, wir schlauen Kerlchen, es fertiggebracht haben, die mehr oder weniger alltäglichen Naturereignisse soweit in den Griff zu kriegen, dass nicht laufend – und unbeeinflussbar! – der Niedergang droht.

Das heisst, es ist an der Zeit, einen dem biologischen Streben übergeordneten kulturellen Schritt zu vollziehen (ähnlich dem der Gattungs- statt bloss Sippensolidarität).

  • Wir beenden diese dummen Bubenstreiche, die wie in einem Theaterstück in der Endlosschlaufe regelmässig die Niedergangsdrohung inszenieren und unsäglich dumme Dinge wie dumme Kriege, dumme Wirtschaftskrisen, dumme Klimaveränderungen und dumme Energienöte entfesseln.
    (Zum Begriff dumm sei bemerkt, dass rationale Intelligenz, kein Jota vor Lebensdummheit schützt. Stellen wir uns bloss einmal vor, wie viele hochintelligente Subjekte den Faschismus gefördert haben und noch fördern; wie viele supergescheite Naziärzte zB mit Vergnügen ihre «Patienten» quälten! Lebensdummheit ist in Wahrheit definitiv weiter verbreitet als das, was wir allgemein unter dumm verstehen. Und das, was wir dumm nennen, verträgt sich andererseits durchaus mit Lebensintelligenz).
  • Wir gehen dazu über, langsam, ganz langsam zu begreifen, dass wir … eben: diese klugen Kerlchen sind, die es schaffen, unser Leben mit angenehm sicherer Wahrscheinlichkeit von  alltäglichen Bedrohungen zu befreien.
  • Wir gehen also dazu über, uns endlich des Lebens zu freuen, statt den ganzen Tag wie verrückt einem Phantom nachzurennen (liebe Frauen, sorry, aber ihr seid unterdessen auch keinen Deut mehr klüger!). Was dermassen frustrierend ist, dass wir dann abends auch keine Ruhe finden und, vom Dauertakt ziemlich abgestumpft, die tagsüber geschaffene Leere irgendwie – und meist wenig sinnvoll – zu füllen versuchen.
  • Was unsere Ahnen dann ehren würde, die schliesslich eine Menge – ich finde, genug! – Opfer gebracht haben, „damit wir es einmal besser haben.“ Ich sehe das sogar als Pflicht.

Also, schlechte Nachricht für die Grundsatzkritiker, gute Nachricht für die Wachstumsgläubigen: Nicht kranker Wahn ist es, was uns treibt, sondern ganz natürlicher Drang.
Aber zwingend verknüpft mit der Aufforderung – die demnächst sogar droht, zur Conditio sine qua non zu avancieren –, den nächsten Kulturschritt einzuleiten und mithilfe unserer fortgeschrittensten Errungenschaften

Wohlstand und Wohlergehen stets in der Waage

zu halten.

PS: Die Ewig(lebens-)dummen dürfen passen. Für sie werden wir eine Burnout-Klink in Reserve behalten. Dort können sie, gut medikamentiert, weiterhin wie kleine Jungen und Mädels herumtollen und endlos «ungeheuer produktiv» spielen und mit tollen Bedrohungen theäterlen.

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