Der Weltenretter – Oder: Tim kriegt eine Antwort

von 2b am 26. Februar 2008

Deine Frage, Tim, zur Ankündigung eines neuen Artikels über die kalte Rasse vom 17. Februar war: „Immer noch unterwegs, die Welt zu retten?“

Antwort: Ich weiss, das klingt meistens irgendwie blöd, aber tatsächlich weiss ich ziemlich genau, was die Chancen von uns Menschen, langfristig zu reüssieren verzehn-, vielleicht auch verhundertfachen würde.

Wer weiss also besser als ich, dass es dafür längst zu spät ist. Und das seit Jahrhunderten, wenn nicht mehr. Wer zur Kenntnis nimmt, dass all die Bemühungen – zum Beispiel der letzten hundert Jahre – nichts fruchteten, hört auf, sich Illusionen zu machen. Stell dir das einmal vor: Der Hunger nimmt im 21. Jahrhundert weltweit zu! Der ganze erwirtschaftete Reichtum unserer Gattung vermag nichts. Ein Wahnsinn, nicht? Wir Menschen sind sogar unfähig, uns zu ernähren (das gilt dann erst auch noch für die Übersatten! Auch die sind unfähig, sich richtig zu ernähren).
Und das wären bloss die Basics!

Waren die Menschen früher zu weit verstreut, so sind es heute zu viele, um mittels irgendeiner Lösungsmassnahme auf die Gattung Einfluss zu nehmen. Das einzige, was rasch und global wirken kann, ist Zerstörung; Wachstum dauert – ein Naturgesetz. Die Menschheit retten zu wollen, bedeutete also gleich ein ganzes Bündel dummer Illusionen.

Nun gut, wenn wenigstens eine oder zwei Kulturen langfristig überleben.
So weit so gut. Nur ist es so, dass keine einzige Kultur auch nur den geringsten Anschein erweckt, dass sie sich fit macht für eine langfristige Perspektive. Sämtliche Kulturen, die irgendetwas zu sagen haben (und bei manch anderen bin ich offengestanden froh, dass sie nichts zu sagen haben!), sind nur auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtet. Auf der ganzen Welt nimmt die durchschnittliche Lebenskompetenz dramatisch ab.
Was uns Überflieger betrifft, so verführen unser Reichtum und unser Wissen zur Blindheit. Tatsache ist: Auch die postindustriellen Gesellschaften verlieren kontinuierlich an Lebenskompetenz, an Lebenstüchtigkeit, an Lebensfähigkeit. Und das sind nun einmal die Kriterien für langfristiges Weiterleben einer jeden Tiergattung. Daran führt kein Weg vorbei. Die Technik und all die andern Krücken werden es nicht richten. Defintiv nicht.

Na, dann wird uns doch Gott retten. Der hat sicher Erbarmen…
So ne Scheisse! Rechne dir mal vor, wie viele Gläubige es auf der Welt noch gibt. Milliarden! Alles Menschen in einer Kindverfassung! Die unschuldigen „Kinder“ in den „Frühkulturen“ des 21. Jahrhunderts in Ehren (die es merkwürdigerweise noch massenhaft gibt – soviel zur allumfassenden Globalisierung), die wissens halt nicht besser. Aber überall, wo Aufklärung sich schon einmal bemerkbar gemacht hat, gibt es keine Entschuldigung: Lebensinkompetent pur, wer sich auf dieses dumme Spiel einlässt – noch schlimmer: Sich darauf verlässt!

Folgerichtig, lieber Tim, bin ich keinesfalls unterwegs, die Welt zu retten.
Was ich tue: Ich offeriere Menschen, die das unbedingt (wörtlich!) wollen, echte Lösungen für ihr Leben. Lösungen, die sie jetzt – und zusätzlich für alle Zukunft – nutzen können. Auch deren Kinder!
Dabei werden sie unnachgiebig aufgefordert, gleichzeitig die grosse Perspektive – das, was über sie hinausführt – im Auge zu behalten. Und dies ohne Hoffnung und Absicht! Sondern einfach, weil das sein muss. Das gehört zur Biologie. Und somit zur Würde. Punkt.
… Und weil das zusätzlich den Betreffenden gut tut. Und Frieden bringt mit dem eigenen, anhaltenden – und in unserer Situation irgendwie unverschämten – Glück, das sich mit echten Lösungen, die diese Bezeichnung verdienen, einstellt.

Damit, lieber Tim, sind wir beim Motto angelangt, das ich ausgebe:

RETTE SICH WER KANN!

Das gilt aus besagten Gründen auch, falls das Abenteuer Mensch nochmals 1000 Jahre dauern sollte. Da müsste man ja sagen:

Nochmals solche tausend Jahre für die Gattung? Nein danke!

Und das ist auch die Art, wie ich selbst die ungeheure Spannung – den Gap zwischen Ist und Soll – verarbeite: Ich vermittle wo ich kann

nüchterne, aber wenigstens echte Perspektiven.

Damit beweise ich nebenbei auch, wie katastrophal sich die Fixierung auf Sich-Ziele-Setzen auswirkt. Denn: Eine grosse Perspektive haben und gleichzeitig illusionslos bleiben, das geht nur mit ORIENTIERUNG: Ich wende mich in eine Richtung, marschiere los und ziehe kräftig aus… ohne irgendwo Bestimmtes ankommen zu müssen. Im Gegenteil: Ich kann die Richtung jederzeit ändern. Falls eine neue Orientierung vonnöten ist oder sich auch bloss anbietet.

Das wars, Tim; soviel zum Thema Weltenretter.
2bd

2 Kommentare »

  1. Wusch, bin grad zufällig nach hartem Tagwerk kurz vorbei gekommen. Glück gehabt.
    Düster, düster, aber ich habe dem nichts entgegenzusetzen. Kurz:
    BERNHARD, DU HAST ES DRAUF.
    Und das sollen Millionen wissen!
    Danke!
    Tim

    Tim B. Heidelberg am 26. Februar 2008 um 19:03 Uhr

  2. […] Schöner Film, ausserordentlich gespielt. Und vor allem: eine äusserst subtile, ja fast zärtliche Zeichnung des Denkens, ‘Fühlens’ und Handelns der ‘kalten Rasse’. […]

    2bd Blog » The Queen am 8. August 2008 um 21:28 Uhr

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