Dr. med. Peter Baumann – wie schlecht ist er wirklich?

von 2b am 10. Juli 2007

Brief eines alten Freundes

Lieber Peter

Nun haben sie dich wieder einmal eingeholt: die negativen Schlagzeilen in den Medien.
Diesmal verbunden mit einer radikalen öffentlichen Verurteilung durch den Richter und mit daraus logisch folgenden strafrechtlichen Konsequenzen.
Negative Schlagzeilen kennzeichnen deinen Weg seit vielen Jahren. Es hat begonnen, lange bevor du dich der aktiven Sterbehilfe zuwandtest.

Aber setzen wir etwas früher ein:
Als wir 1974 nebeneinander auf der Matte lagen, in der Praxis für Primärtherapie von Hansueli Wintsch, der kürzlich verstorben ist, begann eine Verbindung zwischen uns, die viele Jahre dauern sollte. Du der damals bereits praktizierende Psychiater, ich der Jungspund mitten im Psycholgiestudium.
Der Unterschied zwischen uns beiden hätte allerdings nicht grösser sein können. Von dir habe ich die ganze gemeinsame Zeit in der ‚Urschreitherapie‚ keinen einzigen Ton gehört, ausser den leisen Gesprächen mit Hansueli. Während ich tobte, weinte, lachte und schrie was das Zeug hielt und mir dabei gar manche Blessuren holte, lagst du still und reglos auf der Matte. Während man mir damals durchaus eine gewisse Grenzenlosigkeit unterstellen konnte, verstand Ich dein Verhalten als innere Not. Und ich denke, dem ist auch so. Ein Mann mit einem mächtigen und mit den damaligen Mitteln scheinbar undurchdringbaren Panzer.
Aber was macht’s: Unter diesem Panzer steckt ein liebevoller Mensch!
So hat uns die Verschiedenheit nicht daran gehindert, uns zu befreunden und in der Folge ein Stück gemeinsamen Weges zu gehen, ja gar Schicksals zu teilen.

Die gemeinsame Ausbildungszeit in der von Norman (Wunderle) und mir initiierten Bioenergy-Gruppe mit Gerda Boyesen.
Die intensiven Stunden als Bioenergetik-Pioniere in der von uns beiden ins Leben gerufenen Intervisionsgruppe.
Schliesslich die Zusammenarbeit: Ein spannender, aber auch spannungsgeladener Kurs mit einer Mischgruppe von Klienten aus deiner und meiner Praxis, in der wir zwei ganz verschiedene Parts spielten: Du die Traumarbeit und ich das Körperlesen.
Ansonsten aber hatte jeder seine eigene Praxis – du im zürcher Seefeld, ich auf der Gegenseite der Stadt, im zürcherischen Seebach.
Ausser einem kurzen Gastrecht, das du mir freundlicherweise gewährtest, als meine neue Praxis im Stadtzentrum noch nicht bezugsbereit war.
Schliesslich folgte der zumindest physische Höhepunkt unserer Beziehung. Nach einer Reihe gemeinsamer Berg- und Skitouren vor allem im Rahmen des SAC erklommen wir beide auf einer langen und anstrengenden Route den Mont Dolent im Wallis – und übernachteten gleich auf dem Gipfel! Bei angenehmen Temperaturen, trotz 3820 Metern Höhe, sicher angebunden an der eisernen Madonna, die dort oben thront. Nach einer schönen Nacht und dem Abstieg fuhren wir zu deinem Elternhaus in Muri bei Bern, wo ich deinen Vater kennen lernte.
Diese gleichsam intimen Einblicke in dein Leben waren bei diesem schweigsamen – um nicht zu sagen: verschlossenen – Mann, der du bist, irgendwie etwas Besonderes.

Wir verloren uns dann bald aus den Augen. – Wie das für meinen Lebensweg typisch ist, ging ich weiter und sagte der Bioenergetik und mit ihr der Bioenergetischen Gesellschaft (SGBAT), die ich ja selbst initiiert hatte, adé. Und du begannst deine Drogenexperimente mit Klienten, die dich bei der SGBAT (und nicht nur dort!) in Schwierigkeiten brachten.
Für mich war das die logische Fortsetzung des Handelns aus der alten inneren Not, die ich ja schon zu Beginn unserer Beziehung kennen gelernt hatte: der gleichsam chemische Ausbruch aus dem Gefängnis – nun übertragen an die Anempfohlenen.
Allerdings mochte ich mich nicht an der allgemeinen Verurteilung beteiligen, auch nicht, als eine deiner Klienten starb. Ich vertrat und vertrete immer noch die Haltung, dass erwachsene Menschen verdammt noch mal selber verantwortlich sind für ihr Verhalten, auch wenn sie das wie Kinder tun. Und das gilt auch für Klienten und Patienten. Die Geschichte von der psychischen Abhängigkeit halte ich für einen schädlichen Mythos, der einseitig Opfer schafft, die daraus wiederum falsche Rechte ableiten, unterstützt von der (opfer- bzw verfolgungssüchtigen) Gesellschaft – und dadurch in deren Kindverfassung geradezu fixiert werden! Wenn ein erwachsener Mensch sich abhängig macht, so tut er das überall – egal ob da ein Arbeitgeber, ein Ehepartner, ein Idol oder ein Arzt gegenüber stehen, bzw Dinge wie Gewohnheiten, Macht und Anerkennung oder Sucht. Ich sehe absolut keinen Anlass, einen erwachsenen Menschen, unter welchen Umständen auch immer, wie ein Kind zu behandeln bzw sich selber eine Vater- oder Mutterrolle zu geben!
Zudem kannte ich ebenso gut wie deine innere Not dein gutes, menschenfreundliches Wesen. Dass da der Narzissmus vielleicht manchmal die Oberhand erhielt – wer von all den Helfern dieser Welt kennt ihn nicht?
Trotzdem vertrat – und vertrete ich immer noch – einen von deiner Praxis denkbar weit entfernten Standpunkt bezüglich des beruflichen Umgangs mit Menschen. Unsere aktive Beziehung machte keinen Sinn mehr.

Als du dich der Sterbehilfe zuwandtest, hörte ich von dir längst nur noch durch die Presse. Aber dein Weg schien weiterhin präzis dieser Logik zu folgen. Ob es innere oder äussere Grenzen waren, ob es ein verzweifeltes und manipuliertes Ausbrechen bzw Einbrechen war (wie mit den Drogen) oder gewaltsam (wie bei der Sterbehilfe), stets bist du dabei früher oder später auf scheinbar unüberwindlichen Widerstand gestossen – sei das innen oder aussen. Die innere Antwort auf deine entsprechenden Bemühungen und dann beim diesbezüglichen Scheitern scheint stets diese zu sein: „Wenn du über deine Grenzen gehst, wirst du bestraft.“ Und dieses dramatische Szenario kenne ich nun bei unseren Grenzgängern in der Root-Mind-Arbeit, die alles dafür tun, damit es bei den inneren Grenzen bleibt, aus dem EfeF. Der Unterschied ist: Solange man das nur mit sich selbst ausmachen kann, lösen sich auch die dramatischsten Szenarien alsbald in heitere Luft auf. Schade nur war dir bei deinem ersten Bemühen damals und auch später (mit der Bioenergetik), solange es noch bloss um deine inneren Grenzen ging, kein Erfolg beschieden.

Was aber bleibt, Peter, ist dein Eigensinn, der auch eine Stärke ist und mit dem du nach den inneren Mauern nun seit Jahren auch an äussere Mauern stösst.

Alter Freund, ich wünsche dir einen milden Fortgang deines restlichen Lebens.
Bernhard

1 Kommentar »

  1. Ich habe immer wieder über Peter Baumann in der Zeitung gelesen. So wie Du es auch schreibst, kam in der Zeitung zum Ausdruck, dass er ein ernsthafter Mann ist. Was mich betroffen machte im geschilderten Fall ist die Entscheidung und Wahrnehmung von P.Baumann, dass es für seinen Patienten keine andere lebenswerte Möglichkeit mehr gab als den Tod. Offenbar konnte der Psychiater selber keine andere Perspektive sehen und das hat vor allem mit ihm selber zu tun, mit seinem eigenen Gefangensein, nehme ich an. Ob das böse ist, weiss ich nicht. Wie wenn er seine eigenen Grenzen auf diese Weise gelebt hätte.
    Deine Texte finde ich einfach gut. Ich danke Dir dafür.

    Annemarie S. am 23. November 2008 um 15:31 Uhr

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