Vom Automatisierungswahn, von Führungsschwäche, von idiotischem Fleiss und einem Happyend

von 2b am 23. Februar 2007

Bei jeder Einführung einer Neuerung, auch bei einer klitzkleinen, müssen sich die Verantwortlichen fragen:„Bringt das unter dem Strich etwas?“
Und unter dem Strich heisst, bei allen betroffenen Stellen im Abgleich! Das reicht also nicht, wenn nur die einführende Abteilung den Nutzen untersucht. Alle Betroffenen müssen gefragt werden.
Da gibt es so viele Verführungen. Tausende wollen uns weismachen, dass ihr Produkt einen Fortschritt da oder dort bedeutet. Am Schluss bleiben dann oft bloss Unkosten und Ärger.

Die SBB ist mE eine solche Spezialistin. Dutzende von Neuerungen hat sie eingeführt – neben einem unüberschaubaren Wust von neuen Produkten – einer wahren Schwemme; welcher Stratege das wohl erfunden hat? Und, hat wohl schon jemand im Ernst Aufwand und Ertrag ausgelotet?

Nun, hier geht es nicht um Produkte, sondern um Neuerungen.
Unser Gepäck wird statt nach Frauenfeld nach St. Gallen transportiert und von dort per Camion(!!) nach Frauenfeld. Also: Ausgeladen, eingelagert, aufgeladen, abgeladen, eingelagert. Wo ist da die Verbesserung? Irgendjemand findet wohl stets einen Vorteil in solchen Massnahmen (abgesehen von den arbeitenden Menschen, die mit den ständigen Reorganisationsschüben herumgeschoben werden).
Aber geht es Ihnen nicht auch so, dass Sie finden, die Dienstleistungen der SBB nehmen, trotz steigenden Preisen, laufend ab? Ich finde das eine haarsträubende Entwicklung. Ganz besonders bei einem Monopolunternehmen, wo der Kunde keine Wahl hat, als den Privatwagen zu nehmen. Bravo, eine kluge Eisenbahnpolitik!

Ich finde persönlich, Benedikt Weibel war ein ausgesprochen schwacher Manager. Unter ihm ist die SBB immer kundenfeindlicher und schlechter organisiert geworden. Meines Erachtens ein sehr schlecht gemanagtes Unternehmen.
Im Vergleich mit Bruggisser, einem andern Transportmanager (ist das eine Krankheit?), ist Weibel allerdings ein Titan!

Heute habe ich tatsächlich gelesen, wie Bruggisser zugute gehalten wird, dass er 16 Stunden am Tag für die Swissair gerackert habe und man ihm jetzt zum Dank einen Strick drehen will.
Abgesehen davon, dass ich so einen Racker punkto Lebensintelligenz nahe an der Idiotie platziere, da er so letztlich nur Schaden anrichten kann – wie Bild zeigte! Und wenn Kollegen oder Vorgesetzte das entgegennehmen, ev gar belobigen, weil sie denken: „Soll dieser Idiot sich doch für uns abrackern, wir haben den Profit,“ dann ist das weit gefehlt! Sie zeigen nur, dass sie selber lebensdumm sind!

Niemand kann nämlich 16 Stunden am Tag gute Arbeit leisten. Das macht man nur, wenn man nichts anderes hat, was einen trägt, als verrückten, braven Fleiss (Grüsse vom UV21 in die Chefetage!).

Die Konsequenz daraus dreht die ganze Geschichte mit der Leistung dann um: Wenn jemand regelmässig soviel arbeitet, ist er in vieler Hinsicht so kaputt, dass er in Wahrheit keine einzige Stunde gute Arbeit leisten kann.
(Es bereitet mir Freude, dass ich in jüngster Zeit von der Wissenschaft und in der Folge von der Presse in dieser Hinsicht Sukkurs erhalte. Stichwort zB ‚Wer nur 5 Stunden schläft, handelt danach wie ein Betrunkener‘.)
16 Stunden lang Scheisse gebaut. Hätte er doch bloss eine Stunde pro Tag gearbeitet…

Dies fürs Handbuch des Managements!

Bleibt noch anzumerken, dass ich das mit der Idiotie Ernst meine. Das heisst, es ist keine Beschimpfung. Bruggisser ist mE keine ‚Idiot‘, sondern ganz ok. Und er ist auch nicht ‚dumm‘, sondern wahrscheinlich sogar intelligent im üblichen, zweidimensionalen Sinn. Lebensintelligenz fordert aber Fähigkeiten, die solchem Verhalten – und vielem anderem, das mittlerweile publik wurde – diametral, so diametral wie nur irgend möglich, gegenüber stehen.
Lebensdumm zu sein ist keine Beschimpfung, sondern eine Tragödie. Und diese Tragödie wächst mit der Macht, die einem solchen Menschen zugeschanzt wird.

Wenn wir Lebensintelligenz bzw LifeCompetence als Grundlage nehmen, erscheinen Menschen in völlig neuem Licht. Tüchtigkeit, Erfolg und Nützlichkeit werden ganz anders bewertet. Was gesund und was krank ist ohnehin. Unser Bild von Menschen und was wir von ihnen fordern verändern sich dramatisch. Und damit natürlich auch die Vorbilder, die Stars, die Verdienten… puh!

Wie wär’s also mit einem Projekt zweite Lebensschule? Das würde ich, offen gestanden, gern in jede Grundausbildung für Manager zwingend miteinbeziehen.

Ich garantiere hier auf die Hand: Binnen Kurzem würde das anders aussehen in unserer Wirtschaft: Erfolgreich – aber nicht mehr blödsinnig, oder eben: idiotisch erfolgreich – und lebensfreundlich!
Lesen Sie doch mal auf der Website mit dem ominösen Namen ‚LIQ-Test‘ über Lebensintelligenz nach!

Zum Zweiten ist das doch so wie beim Fussballtrainer. Stellen Sie sich vor, eine Mannschaft verliert ständig, aber der Trainer – ja, der Trainer: Er rackert sich ab, von frühmorgens bis spät. Also; wer mag nun dem Trainer applaudieren? „Nun behaltet ihn doch! Er gibt sich doch so Mühe und er ist so fleissig!“
Und, wenn er halt doch gehen muss, dann: „Schmeissen wir ihm zumindest die Millionen hinterher, für seinen grossen Fleiss, mit dem er uns ruiniert hat!“

Das Fundbüro und das Happyend:
Eine weitere der berüchtigten SBB-Neuerungswellen schwappte über das Fundwesen.
Wenn Sie etwas verloren oder im Zug vergessen haben, so können Sie nicht mehr dem Bahnhof telefonieren und die bitten, das Ding einzusammeln und an Ihren Heimatbahnhof zuzustellen. Es gibt keine Bahnhoftelefonnummern mehr. Und der Bahnhof ist wahrscheinlich eh nicht besetzt. Sie können auch Ihren Kondukteur nicht mehr bitten, den Kollegen im betreffenden Zug anzurufen. Nein, Sie werden an eine zentrale Nummer verwiesen. Und die fragen Sie, wie eine amerikanische Klinik, zuerst, ob Sie eine Verlustmeldung aufgeben möchten. Das dauert aber 3-4 Tage, bis sich da etwas regt.
Aber hoppla: Superneuerung: Sie können auch über das Internet suchen. Bravo – die Technik bringt’s!
Sie können aber für Ihre 2500 – 4600 Franken, die Sie jährlich für Ihr GA ausgeben, auch für 50 Franken eine ‚Suchmeldung‘ aufgeben. Dann geht’s scheints schneller.
Ja, ja, die SBB, die haben’s dick hinter den Ohren, wenn’s ums Einkassieren geht. Ein wahres, echtes New Public Management! Halt, noch nicht fertig!
Sie haben Ihr Ding im Flughafen vergessen und fahren nun zum Hauptbahnhof Zürich, wo Sie wohnen. Nichts da! Ihr Ding wird nicht nach Zürich geschickt, sondern nach Bern! Das ist ja die Hauptstadt; dort gehört zuerst mal alles hin. Wahrscheinlich wird demnächst auch alles Gepäck nach Bern transportiert und von da per Camion zu Ihrem Heimbahnhof und logischerweise nebenbei die Mindestaufgabezeit auf 3 oder 4 Tage vor Ankunft verlängert.

So ist die SBB unter Weibel zum typischen modernen Unternehmen geworden: Der Service wird laufend schlechter, dafür wird alles bunt und animiert – und kostet wenigstens mehr. Kein Wunder bei den Investitionen!

Aber jetzt kommt doch noch das gute Ende. Noch immer arbeiten offenbar Menschen bei der SBB. Und nicht nur zu Recht frustrierte, da durch die wunderbaren Neuerungen gebeutelte und daher unfreundliche Paragraphenscheisser, nein!
Da kriege ich nach ein paar Minuten einen Anruf zurück und die zuerst übliche (s.o.) Dame bei der Mädchen-für-alles-Zentrale Railservice (Service für wen und was?) ist plötzlich freundlich, persönlich im Tonfall und teilt mir mit, sie habe mit ihrem Vorgesetzten geredet (Hört, hört – noch ein Mensch!) und gebe mir eine interne Nummer zum Bahnhof, wo der Gegenstand hoffentlich gefunden wurde; ich könne mich mit der dort zuständigen Person in Verbindung setzen. Dass der dortige Beamte – nicht ganz vom selben Format – die übliche Mentalität ausspielte: „… nicht weiterleiten, da schon vorgekommen, dass…, und er dann verantwortlich…“ – Sie wissen schon, Beamtendeutsch. Dass ich also Morgen vom Thurgau nach Landquart fahre, um das Ding abzuholen – ja, das sind dann nur noch Peanuts. Beamtennüsse eben.

Schwelgend in diesem unverhofften Glück (auch schon fast Peanuts, dass das Ding auch tatsächlich gefunden wurde. Wussten Sie, dass die Putzmannschaften in den Zügen – wahrscheinlich irgendwelche Jugos – einen Vertrauensposten haben und dieses Vertrauen auch rechtfertigen?! Chapeau!); schwelgend also verzichte ich darauf, auch noch das Reservationssystem der SBB zu besprechen.

Die SBB sind also doch noch nicht ganz verloren – solange dort Menschen ihren Dienst versehen, die sich von der unsägliche Politik der ebenso unsäglich schwachen Führung noch nicht ganz verdriessen liessen.
Danke also nicht SBB, sondern danke euch Menschen, die ihr noch immer bereit seid, wenn’s Not tut, auch mal über den Schatten zu springen, den Die Firma über eure Arbeit gelegt hat!

PS: Hübscher Kontrapunkt am andern Ende der Leitung: Die RhB weigert sich, ihr Zugspersonal mit Handys auszurüsten…

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