Der Mensch ist ein Pferd – oder: Karoshi als Chance

von 2b am 14. Dezember 2007

Noch im Manuskript zu meinem neuen Buch zelebriere ich den offensichtlichen biologischen Irrtum, dass Menschen eben nicht wie Pferde könnten: freiwillig so lange rennen, bis sie vor Erschöpfung tot umfallen. Jene Passage muss ich nun noch schleunigst ändern.
Denn es beweisen uns offenbar schon länger Menschen – oder zumindest Japaner… -, dass auch wir Menschen uns freiwillig zu Tode arbeiten können. Immerhin haben die dafür sogar ein eigenes Wort: ‚Karoshi‘, was für eine alte Tradition spricht, die simplen Mitteleuropäern wie mir bislang verborgen blieb. Ich wusste natürlich um den kaum bezwingbaren Hang zur Selbstversklavung, die in jenem fernen Lande herrscht. Ebenso ist mir deren Hang zu Selbsttötungsritualen bekannt (Harakiri), der so eindrücklich beweist, wie Unwertempfinden, verbarrikadiert durch ‚Ehre‘, den Erhalt des Lebens als Prinzip und Regung zur Farce werden lassen kann. Dass die Japaner aber reihenweise so weit gehen, sich für ihren Herrn zu Tode zu schuften, ist eine – zwar durchaus logische – Verbindung, die mir, wie gesagt, bis heute nicht auffiel.

Da sieht man wieder einmal, dass man, wenn man nicht hinschauen will, auch nicht sieht.

Damit habe ich es bisher prompt verpasst, die grossartigen Chancen zu erkennen, die Karoshi mit sich bringt.
Nun bleibt nur noch zu überprüfen, ob die Gene des Homo Japanicus sich auch im Homo Europäus, dem Homo Americanus und so weiter finden. Ansonsten wir ein weiteres triftiges Argument für die Menschenklonung hätten. Und somit eine dritte grosse Chance, die unsere biologische Nähe zu den Pferden uns eröffnet (dabei hätte mir doch die ziemlich verbreitete geradezu närrische Liebe zu Pferden, vor allem von Angehörigen des weiblichen Geschlechts (gibt es da etwa geheime Pläne?), auffallen müssen. Aber eben: Wer nicht hinschauen will…).
Stellen wir uns das vor: Die ganze Gattung als Homo Japanicus! Das verspräche eine einmalige Erfolgsgeschichte zu werden.

Daher rasch weiter zu den beiden andern grossartigen Chancen dank Karoshi (Duden: bitte für die nächste Ausgabe vormerken!):

Mit einem Schlag drei Riesenschmeissfliegen dank Karoshi!
Das ist die Schlagzeile für eine rosige Zukunft der Menschheit.

  1. Systematische Klonung im Dienste eines besseren – sprich arbeitsameren – Menschen.
  2. glänzende und endlich stabile Aussichten für die Wirtschaft, indem wir Menschen – freiwillig, also ohne programmierte gesellschaftliche Konflikte! – einfach bis zum Tod durch Erschöpfung arbeiten und diese dann umgehend durch die nächste Schicht ersetzen (nebenbei auch glänzende Aussichten für das in erster Lesung als typisch amerikanisch-bigottes Bildungsmodell analysierte Bologna-Modell dank Fliessbandbildung durch niedrigschwelliges Hochdruckverfahren!).
  3. Die Lösung der drohenden diversen Nöte wegen der diversen regionalen Bevölkerungsexplosionen – wenn nicht mehr hüben, so doch ungebrochen drüben – dank regelmässiger, konfliktfreiher und zudem sauberer Massenverendung. Und das erst noch ohne Kollateralschäden, das heisst, ohne Beeinträchtigung des ungebrochenen Wirtschaftswachstums bis in den Himmel (wo selbstredend auch die ‚Freiwilligen‘, die ‚Karoshi‘, inklusive auf Wunsch beliebiger Anzahl Jungfrauen, für die Ewigkeit gelagert werden).

Was wollen wir noch mehr?
Da gegen verblassen doch selbst die hochdramatischen Nachrichten aus dem Schweizerischen Bundeshaus.

6 Kommentare »

  1. Sehr geehrter Herr 2BD. Ihren ganzen Witz muss ich noch etwas verarbeiten. Aber als ehemalige (weibliche) Pferdenärrin hätte ich doch bereits eine Frage zu Ihren Spekulationen über geheime Pläne. Was für Pläne sollen da geschmiedet werden?

    Heidemarie P. am 14. Dezember 2007 um 15:44 Uhr

  2. die antwort zu finden überlasse ich ihren hoffentlich treffsicheren mutmassungen: aus der lektüre des gesamten artikels sollte sich das ergeben. beachten sie: der provokative witz geht auch da weiter.
    die offensichtlichen vorgaben für pferdenärrinnen – und pferdenarren? – sind dabei folgende zwei:
    1. sie idealisieren ihren vater, um ihn (trotz allem!) abgöttisch lieben zu können.
    2. gleichzeitig wollen sie ihn unbedingt kontrollieren (bereiten).

    2BD am 14. Dezember 2007 um 16:15 Uhr

  3. Ach, das darf ja nicht wahr sein! Denken Sie etwa an Fortpflanzung?

    Heidemarie P. am 14. Dezember 2007 um 16:42 Uhr

  4. 2BD am 14. Dezember 2007 um 16:45 Uhr

  5. Ein starkes Stück. Es hat mich noch beschäftigt und ich wollte eine Nacht darüber schlafen. Aber ich muss zugeben, dass da Erotik tatsächlich mitspielt (beim Pferd wie beim Vater).

    Heidemarie P. am 15. Dezember 2007 um 10:15 Uhr

  6. so wie ich Pferde erlebe, sind sie nicht natürlicherweise ‚Karoshi‘ – wir haben sie dazu gemacht. Jene in der Zucht selektioniert, welche so mit sich umgehen lassen und ihre Erziehung dann derart gestaltet, dass sie schlicht alles für den Menschen tun.

    Aber, zum Glück: Unter der 5000 Jahre alten ‚Kulturschicht‘ wirken 60 Milliarden Jahre Lebenskraft pur dieser Gattung. Genau wie bei uns Menschen.

    Nach der Tagung vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau wurden wir vom Schweizer Tierschutz für ein Referat eingeladen, wo wir solches thematisieren sollen.
    Nebst Grössen wie Freddy Knie, europabekannten Verhaltensforschern etc.

    Ansonsten: Ich kann dem allem zustimmen, was du schreibst – und – danke, für die tollen Artikel Im Werkplatz!

    Jacqueline S. am 4. Januar 2008 um 16:39 Uhr

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